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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0399

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Die junge Wiener Schnle.

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Oppolzer einen Fallsnchtigen, der lange das Silbersalz genommen
hatte nnd tief grau auf der Haut geworden war, später noch viele.
— Ob wohl die Kranken in Wien das verordnete Mittel lange genug
eingenommen hatten?

Wenn wir das bei einem Hebra erlebten, wessen mußte man
nicht erst bei den Kleinen im Geiste gewürtig sein.

Wir hatten die beiden Kinderspitäler besucht, das von Mauthner
gegründete, woraus später das St. Anna-Spital erwuchs, und das
Franzensspital in der Vorstadt Wieden; es war nns aufgefallen, daß
wir weder hier, noch auf dem Leichentische des allgemeinen Kranken-
hauses jemals einen Fall von Diphtherie zu sehen bekamen, während
wir sie bei uns zuhause in Form von Cronp, nnd Bronner in Paris
in verschiedenen schlimmen Formen oft zu sehen Gelegenheit gehabt
hatten. Gegen Ende unsres Aufenthalts in Wien fragte ich einen
Assistenten Rokitanskys, sein Name ist mir entfallen, ob die Diphtherie
in Wien nicht vorkomme? worauf er die Gegenfrage an mich richtete,
ob ich an diese französische Dichtnng glaube?

Zwei hervorragende Vertreter der jnngen Wiener Schule be-
sorgten den ärztlichen Dienst in dem noch nicht lange eingerichteten
Bezirks-Krankenhause aus der Wieden, der feurige, in Galizien ge-
borene Josef Dietl als Primararzt, und Friedrich Wilhelm Lorinser
als Primar-Chirnrg. Wir suchten sie in dem Hospital auf und wurden
sehr artig von beiden empfangen. Dietl machte uns mit seinen Er-
folgen bei der Pneumonie bekannt, die er ohne Aderlaß behandelte.
Ein Jahr nachher veröffentlichte er seine bekannte Schrift: „Der
Aderlaß in der Lungenentzündnng," die wesentlich dazu beitrug, die
Blutentziehungen bei der Pnenmonie abzuschaffen. Er versicherte uns
bestimmt, daß eine erste Lungenentzündung niemals töte, wenn man
sie ruhig ihrem natürlichen Verlaufe überlasse, eine Behauptung, die
ich leider in dieser apodiktischen Fassnng später nicht bestätigt fand.
— Lorinser hatte 1845 in den österreichischen Jahrbüchern seine Be-
obachtungen über die s. g. Phosphornekrose der Kieferknochen mit-
geteilt und zuerst die schädlichen Einwirkungen der Phosphordämpse
in den Zündholz-Fabriken aus die Kieferknochen kennen gelehrt; er
zeigte uns zwei junge Mädchen mit diesem abscheulichen Leiden nnd
 
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