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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0442

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422

Jn Schleswig-Holstein 1849.

Die Verwundeten von Ulderup waren nach Flensburg gebracht
worden; vier waren ihren Wunden erlegen, zwei noch in Gefahr, die
anderen guter Dinge und voll Sehnsucht nach ihren Kameraden im
Bataillon.

Jch ging in Flensburg auf den fchön gelegenen Friedhof; man
hatte den gefallenen Kriegern ein besonderes Viertel eingeräumt. Da
lagen die Feinde versohnt im Tode beisammen. Auf allen Grabhügeln
wehten kleine Fahnen, deutsche, fchwarz-rot-gold, holsteinische, blau-
weiß-rot, preußifche, fchwarz-weiß, und Danebrogs mit weißem Kreuz
auf rotem Grunde. Die Flensburger, zu zwei Fünfteln Deutsche, zu
drei Fünfteln Dänen, waren unermüdlich im Schmücken der Gräber
mit Blumen, Schleifen und Kränzen. Unnnterbrochen strömten Leid-
tragende aus und ein, in vielen Augen standen Thränen.

Mit großem Jnteresfe befuchte ich in Eckernförde das „Jnvaliden-
lazarett", wo die dänifchen Verwundeten der Gefion und Christian VIII.
von dänifchen Aerzten behandelt wurden. Es lagen noch gegen fünfzig
darin. Die Wunden waren meist durch Holzfplitter verursacht und viele
waren ganz schauerliche Rißwunden der Weichteile und Splitterbrüche
der Knochen. Die dänischen Aerzte fchienen mir tüchtige Leute. —
Außer diesem Lazarett befanden sich in Eckernförde noch zwei Ho-
spitäler für die deutschen Truppen, sie waren nur fchwach belegt und
von dem Treffen am 5. April fanden sich nur noch drei Verwundete
vor, zwei holsteinische Kanoniere und ein fürstlich reußischer Füselier.

Nachdem ich diese Aufgabe gelöst, hatte ich keine Thätigkeit
mehr, die mich befriedigte; ich beneidete meine Kollegen, die in den
Hospitälern unter der Leitnng ausgezeichneter Chirurgen reiche Er-
fahrungen fammeln konnten. Das Bataillon zog, ohne Aussicht, mit
dem Feinde zusammen zn stoßen, fanllenzend auf den fetten Gütern
an der Ostküste umher. Die einzige chirurgische Operation, die ich
ausführte, war die Amputation des Oberarms eines unsrer Sol-
daten, der mit seinem Gewehr auf unerlaubter Jagd durch eine
Hecke geschlüpft war, einen sog. Knick, wobei die Ladung losging
und ihm den Knochen zerschmetterte. Wir waren einer Brigade unter
dem Kommando des Herzogs Ernst von Koburg zugeteilt, die, aus
thüringischen und süddeutschen Truppen buntscheckig zusammengesetzt,
 
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