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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0507

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Weiland Gottlieb Biedcrmaier.

487

„Herbei, herbei zu irieiuem Sang,

Haus, Joergel,'Michel, Stoffel,

Uud siugt mit mir das Ehrenlied
Dem Stifter der Kartoffel."

Fast möchte man glauben, es habe dieses Lied den Bildhauer Friede-
rich in Straßburg angeregt, den englischen Seehelden Drake in Stein
auszuhauen und der Nachbarstadt Offenburg zu schenken, wo er in Ad-
miralstracht vor dem Rathause steht und von den Bauern, die zu
Markte fahren, der Kartoffelmann genannt wird, weil ein Kranz
von Kartoffelknollen zu den Füßen des Admirals angebracht ist. —
Jn dem Liede vom armen Dorfschulmeisterlein: „Willst wissen dn,
mein lieber Christ, wer das geplagtste Männlein ist?" wird der
Poet vom unbewußten Humoristen zum bewußten Schelm, bleibt aber
immer der gleiche, gutmütige, biedere Alte, dem die Natur Gift und
Stachel versagt hat. — Das dritte Gedicht nahm sich nnter den andern
aus, wie eine reizende Kornblume im Rübenfeld, es war der „Wachtel-
ruf": „horch, wie schallts draußen so lieblich hervor!" Ob das präch-
tige Lied ganz auf Sauters Boden gewachsen ist, scheint mir nicht sicher,
denn im ersten Bande von des Knaben Wunderhorn (Heidelberg und
Frankfurt 1806, S. 159) sindet sich bereits ein Gedicht „Wachtelwacht",
das einem sliegenden Blatt entlehnt ist nnd mit dem Rufe anhebt: „Hört,
wie die Wachtel im Grünen schön schlägt: lobet Gott! lobet Gott!"
Jmmerhin ist das Lied Santers entschieden schöner und singbarer, die
Jdee dazn aber scheint er dem fliegenden Blatt entlehnt zu haben.

Mein unerwarteter Fund gab Anlaß zur Einführung des Dich-
ters Biedermaier in den deutschen humoristischen Musenhain. Nach
Kandern zurückgekehrt, schnitt ich sosort dessen drollige Figur aus der
Sauterschen Sammlung heraus, stellte eine Anzahl der Gedichte un-
verändert, andere abgeändert, sowie einige, neu von mir in Sauters
Geiste verfaßte, zusammen und überschickte „das große Werk weniger
Tage," wie ich mich ausdrückte, nebst einer Vorrede, welche die Bieder-
maierpoesie scharf charakterisierte, meinem Freunde Eichrodt, der da-
mals in Durlach wohnte. Jch forderte ihn zur Mitarbeit auf mit der
Bemerkung: „Obschon du den Sauter nicht übertreffen kannst, so dürfte
dir's doch gelingen, ihn zu erreichen." Jch legte Sauters Gedichte bei
 
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