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„Diese rebellischen Lombarden," rief er, „ich kenne sie
nur zu gut. Fünfmal bin ich über die Alpen gezogen, um
die Aufrührer zu züchtigen und sie haben die Schwere mei-
nes Zorns gefühlt. Und Mailand, sagst Du, Mailand stehe
an der Spitze des Aufruhrs? Ha! diese stolze Stadt, hat
fie vergessen, daß ihre Bürger einst im bloßen Hemde, den
Strick um den Hals um meine Gnade stehten! Habe ich
dieses Vipernest nicht später vom Erdboden vertilgt mit Feuer
und Schwert, daß kein Haus mehr stand in seinen Mauern?
Und doch ist es wieder erstanden und lehnt fich immer wie-
der auf gegen seinen Herrn, der die eiserne Krone trägt mit
Fug und Recht. Laß uns hin, ich will noch einmal den
Ruf erschallen lassen: „Hie Waiblingen!" und sie werden
zittern vor meiner Stimme."

Jch schüttelte mit demKopfe und erwiederte: „Dukennst
den Geist der Zeit nicht. Dieser spricht jedem Volke das
Recht zu, sich selbst zu regieren, das Recht, frei und keinem
andern Volke unterworfen zu sein. Wir können die Jtaliener
nicht als Aufrührer betrachten.,, „Freiheit und Recht," rief
Barbarossa, „ich habe auch für Recht und Freiheit gefochten.

„Vor siebenthalbhundert Jahren," entgegnete ich, „die
Zeit ist vorwärts geschritten seitdem, die Begriffe der Völ-
ker stnd andere geworden."

Der Kaiser sah sinnend eine Weile vor sich hin und
und sagte dann ruhig: „Du magst in Manchem Recht haben,
ich muß die Zeit erst nachleben, die ich im Berge verschla-
fen habe. O, diese lombardischen Fluren, fie sind mit
deutschem Blute getränkt, mit deutschen Leichen gedüngt!
Mögt ihr sie fahren lassen — es ist nie Segen gekom-
men für Deutschland von jenseits der Alpen!"

„Weun Du aber meinst, die Zeitsei vorwärts gegangen,
so ist es Deutschland wahrlich nicht. Jhr habt Eisenbahnen
und Dampfschiffe, die Künste und Wissenschaften blühen, wie
Du sagst — und dabei seid ihr ein unmächtiges Volk.
Der Däne blokirt eure Häfen, der Holländer verschlingt die
Mündung eures Rheines, der Franzose läßt seine Flagge
vom Straßburger Münster wehen, die Schweizer haben sich
losgerissen vom Reiche und dünken sich eine eigne Nation
zu sein, der Russe sverrt die Mündung eurer Donau und
schließt feindselig eure ganze Ostgränze euerm Handel — und
ihr seid ein Volk von 40 Millionen? Und warum das
Alles? O, ich kenne den Grund, ich verlor darum die

Schlacht Lei Lugano, weil dem Heinrich Welf sein persön-
licher Vortheil mehr galt, als der des Reiches! Zerspalten
seid ihr, eure Vortheile gehen ausetnander, ihr seid nicht
einig! Wäre eine Einheit da, das deutsche Volk wäre
das erste der Welt, wie es war und wie es ihm gebührt.
So aber ist Deutschland der Spott der andern Völker und
Häringsfischer, Kaffeekrämer und Käsemacher wagen es zu
verhöhnen. Horch — mich dünkt ich höre in der Ferne
Flügelschlag! Die Raben werden wohl nur ausgeruht ha-
ben, und ihren Flug auf's Neue beginnen — ich muß wie-
der in meinen Berg."

„Noch nicht," rief ich und hielt mein Pferd an, „die
Einheit fehlt, Du hast Recht und darin waren wir schwach
— doch eben stnd wir daran, sie herzustellen, der Grund des
hehren Baues ist schon gelegt."

„Und wo ist der Mann dafür?" fragte mitleidig der
Kaiser, der sein Banner htnpstanzt in die Mitte des Volkes,
um das fich Alles schaaren wird? Habt ihr einen Hohen-
staufen oder einen alten Sachsen? Geht, geht, wer soll euch
die Einheit bringen?"

„Der Volksgeist" rief ich, „der Geist der Freiheit.
Komm mit mir in die Pauluskirche zu Frankfurt! Nicht
Fürsten und Grafen wirst Du da sttzen sehen, wie Du sie
in Deiner Kaiserpfalz zu Deinem Reichsrathe um Dich ver-
sammelt hatteft — schlichte Bürger aus allen Classen des
Volkes sitzen dort — aber es sind seine besten Männer, die
das deutsche Volk dahin gesandt hat und der Geist der Weis-

heit leitet ihre Verhandlungen."-Und in raschem Zuge

brachten uns die Dampfroffe nach der alten Kaiserstadt, die
in vollsten Festschmuck ftrahlte, als wir ankamen, denn der
Reichsverweser zog just ein unter dem Jubel des Volkes,
der widerhallte vom Rhein bis zum Niemen, vom Belt bis
zum adriatischen Meere.

Wer ein Sonntagskind ist, kann den Kaiser Friedrich
Barbaroffa sehen, wie erin der Paulskirche zu Frankfurt sttzt
und den Verhandlungen lauscht.

Des Nachts aber wandelt er nach der Nordseite der
Stadt und lauscht nach der güldenen Aue hinüber; ob die
Raben nicht wieder um den Kyffhäuser fliegen.

„Soll der alte Barbarossa in den Berg zu-
rück müssen?"

Der gescheidte Gefreite«

Eine wahre Kasernen-Geschichte.

„Na! Du machst ja ein Gesicht wie ein Schneider in
der sauern Gurkenzeit!" rief der Korporal Enzinger den Ge-
freiten, Müller den Zweiten an, welcher mürrisch an einem
Tisch der Kasernenstube saß und düster vor stch hinblickte.

„Man möchte, Gott Strampach! aus der Haut fahren,"
ließ sich Müller vernehmen, „denk Dir wie es mir geht. Jch
wollte heute vom Feldwebel ein Nachtzeichen haben und er
hat mir's rundweg abgeschlagen. Gott verdopple mir mein
Tractament! ich wollte, daß der Kerl wäre, wo der Pfeffer
wächst. Grade heute, heute !"

„Nun, was ist denn heute los?"

„Denk Dir nur, meine neue Liebste, meine Jette, die
ich erst vor acht Tagen draußen bei Anton's habe kennen ge-
lernt und die einen gehäckelten Dukaten am Halse trägt, die
hat mich heute zu Tanze bestellt, weil ihre Herrschast auf
drei Tage verreist. Das Mädel ist ein Engel, fie hat mir
erst gestern Abend wieder fünf Neugroschen zugesteckt und
heute Abend, da berappt sie fich auf Heller und Pfennig.
Schändlich! niederträchtig! Jette, mit dem neuen Falbel-
kleid, Musik und Tanz, Moneten in Hülle und Fülle und
 
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