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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0152
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Wir können hier nicht umhin, eine These von Karl-Heinz
Mistele anzusprechen, weil sie in die Lorcher Klosterliteratur
Eingang gefunden hat (Mistele 1974,16f.). Er bringt das Kloster
Lorch in Verbindung mit dem Reformorden von Gorze (in der
Nähe von Metz). Sein gewichtigstes Argument: Es sei ein
Widerspruch anzunehmen, die kaisertreuen Staufer hätten ihr
Kloster einem Reformorden geöffnet, dem Papstgefolgschaft
über alles gegangen ist.

Dazu folgendes: nach 1085, nach dem Tode Papst Gregors VII.,
kühlten die im Investiturstreit erhitzten Leidenschaften auf bei-
den Seiten ab. Und selbst in der Zeit der großen Frontstellung
gab es Verbindungen und Akzeptanz hinüber und herüber. Man
mag hier von politischer Klugheit reden oder von Opportunis-
mus, existiert haben sie. Das dem Papst unterstellte Lorcher
Kloster ist nicht der einzige Beweis. Erzbischof Bruno von Trier,
ein kaiserlicher Kirchenfürst (1102- 1124), hat das Kloster
Odenheim im Kraichgau auch dem Schutz der römischen Kir-
che anvertraut, den ersten Abt aus Hirsau gerufen und für die
Kirche deren Patrone Peter und Paul übernommen. Gleiches,
kaisertreue Haltung und Reformgesinnung, läßt sich ebenso
vom Kloster Sinsheim sagen (Germania Benedictina 1975, 464f.
und 590).

Anstelle des Cluny-Verwandten Hirsau bringt Mistele das dem
Kaiser eher geneigte, sich zeitweise von Cluny distanzierende
Reformkloster Gorze ins Spiel und streicht dessen Bedeutung
heraus, dies unter dem Eindruck der Forschungen von Kassius
Hallinger,46 Lorch sei mit Gorze verbunden gewesen, die Her-
kunft des Lorcher Abtes spreche dafür, ebenso die Baueinflüsse
von Maria Laach. Da sich beides nicht verifizieren läßt, und nie-
mand weiß, wie die längst vergangene Klosterkirche in Gorze
ausgesehen hat, also ein Vergleich mit dem angeblichen Mut-
terkloster nicht möglich ist, haben wir nichts in der Hand,
Lorch auf Gorze zu beziehen.

Wohl aber auf Hirsau. Neben Baubefunden treten dafür schrift-
liche Quellen ein, voran die Schenkungsurkunde von 1102. Dort
heißt es, daß bei einer Abtswahl nach dem Rat der Äbte von
Hirsau, von Komburg und von Zwiefalten ein geeigneter Nach-
folger gewählt werden soll, falls sich im eigenen Konvent keine
entsprechende würdige Persönlichkeit findet. Hier ist die
Lorcher Ausrichtung, die monastische Oberservanz, in der es
notabene auch verschiedene Grade von Abhängigkeit gab, deut-

lich genug gesagt.47 Und wie eine Bestätigung dessen kann die
Tatsache aufgefaßt werden, daß das um 1120 gegründete Kloster
Elchingen mit Mönchen aus Hirsau, Lorch und Komburg be-
siedelt wurde (Jooß 1987 26). Es gibt keinen Anlaß, daran zu
zweifeln, daß Lorch in seiner Frühzeit zum geistigen Umfeld
des Schwarzwaldklosters gezählt hat.

Das Schema des St. Gallener Klosterplanes (um 826), der Ideal-
plan und das Maximalprogramm einer monastischen Siedlung,
liegt mittelalterlichen Klöstern mehr oder weniger zugrunde: an
der Südseite der geosteten Kirche der Kreuzgang, den die Klau-
surgebäude umstellen. Abgetrennt von diesem inneren Kloster
stehen jene Gebäude und Anlagen, die weltlichen Bedürfnissen
dienen. Die Topographie des Liebfrauenberges, dieses gestreck-
ten kleinen Höhenzuges, dessen Plateau maximal nur 80 m breit
ist, wird eine Umorganisation der Gebäudekomplexe in Rich-
tung auf eine West-Ost-Achse bewirkt haben, die Verlegung des
Kreuzganges an die Ostseite der Kirche (im Parallelfall der
Komburg an deren Westseite).

Eine derartige Anordnung läßt sich aber noch anders begründen
- abgesehen davon, daß die Baumeister im Mittelalter vor Sub-
struktionen nicht zurückschreckten (s. Burgenbau). Es ist näm-
lich nachgewiesen, daß axiale Konventanlagen auch dort
entstanden sind, wo keine beengte Geländesituation verant-
wortlich gemacht werden kann, so in Fulda, Xanten, Korneli-
münster, St. Stephan in Würzburg sowie mehreren Kölner
Stiftskirchen (vgl. Kosch 1981, 31). Angefügt sei noch das ähn-
lich Lorch gelegene Kloster St. Michael auf dem Plateau des
Heiligenbergs bei Heidelberg.

Ostkreuzgänge haben offensichtlich ihre eigene, weit zurück-
reichende Tradition. Sie konnte sich bilden, weil in dieser neuen
Lage des Kreuzganges ein neuer sinnstiftender Zusammenhang
offenbar wurde. Die Aufreihung der Baubestände an einer

46 K. Hallinger: Gorze-Cluny. Studien zu den monastischen Lebens-
formen und Gegensätzen des Hochmittelalters. Rom 1950. In-
zwischen ist aber diese aufgeladene Hervorhebung der Gorzer
Observanz als eine Uberfrachtung und unangemessene Bedeutungs-
steigerung kritisiert worden. Vgl. Badstübner 1985, 65.

47 H.Jacobs (1961, 71 f.) zählt das Marienkloster Lorch zu den »von Hir-
sauer Reformklöstern erfaßten Gemeinschaften«, hiervon Komburg.

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