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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0047
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Kap. II. Die Kunst des mittleren Asiens. A. Babylon und Ninive. 27

Handelstätigkeit am Ufer des Euphrat. Schon die Bücher des Alten
Testaments entwerfen in grossartig kurzen, eindringlichen Zügen ein Bild
von der Macht und Herrlichkeit des alten Babylon, dessen sagenhafter
Thurmbau die Vorstellung von riesigen, selbst den damaligen Völkern im-
ponirenden Bauunternehmungen erweckt. Die Eeligion dieser Völker scheint
übereinstimmend mit diesen Verhältnissen, eine mehr verständig praktische,
als phantastisch poetische Richtung gehabt zu haben, und die Interessen
weltlicher Herrschaft und materiellen Gewinnes werden bei dem theils krie-
gerischen, theils kaufmännischen Charakter die überwiegenden gewesen sein.

Die Nachrichten der Alten von den Bauwerken Babylons bezeichnen
Werke von kolossaler Ausdehnung und einer grandiosen Einfachheit der
Anlage. So der Tempel des Baal, der in pyramidaler Verjüngung auf
einer Basis von 600 Fuss im Quadrat sich in acht abgestuften Stockwerken
zu gleicher Höhe erhob, also selbst die Pyramidenriesen Aegyptens über-
traf. Von ähnlicher Grandiosität waren die Umfassungsmauern der unge-
heuren Stadt, waren die beiden Herrscherpaläste und der berühmte Wun-
derbau der hängenden Gärten der Semiramis. Von diesen gewaltigen
Denkmälern ist nichts erhalten, und nur eine Eeihe- von unförmlichen
Schutthügeln, halb versandet und im Frühling mit üppiger Vegetation
bedeckt, bezeichnet in der Nähe des Dorfes Hill ah auf beiden Ufern des
Euphrat die Stelle, wo einst die stolze Gebieterin der Völker gestanden.
Diese Beschaffenheit erklärt sich aus dem Material, welches die Babylonier
bei dem völligen Steinmangel ihres aus alluvialen Niederschlägen gebildeten
Landes anwenden mussten. Sämmtliche Bauten wurden aus Ziegeln, die
an der Sonne gedörrt waren, errichtet, indem man sich des Erdharzes
als Mörtels bediente. Die gewaltigen Hügel des Birs i Nimrud, in
welchem man den Tempel des Belus zu erkennen glaubt, des Mudschelibe
und des sogenannten El Kasr, der mit dem neuen Palast des Nebucadnezar
identisch zu sein scheint, sind die wichtigsten Beste. Auf diesen König, also
auf die Zeit um 600 v. Chr., weisen auch die Marken sämmtlicher aufgefun-
dener Ziegelsteine. Von Werken der Bildnerei hat man einen kolossalen granit-
nen Löwen entdeckt, der vermuthlich als Portalwächter angebracht war.

Bedeutendere Beste sind in neuerer Zeit durch die Ausgrabungen bei
Mosul am oberen Tigris zu Tage gefördert worden, Trümmerberge von
ähnlicher Beschaffenheit, die sich in einer Ausdehnung von etwa zehn
Meilen am östlichen Ufer des Flusses hinziehen, und unter denen man die
Beste von Ninive mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuthet. * Die Aus-
grabungen, welche zuerst durch den französischen Consul Botta, sodann

1 Vgl. Botta et Flandin, monument de Kinive. Paris 1849. — Layard, the monument of Nineveh.
London 1849. — Ijers., Nineveh and its remains; deutsch von Meissner. Leipzig 1850. — ßers., &
populär account of discoveries of Nineveh; deutsch von Meissner, Leipzig 1852. — Ders., Fresh
discoTeries etc. London 1853. — Eine XJebersicht des Ganzen bei Yaux, Kineveh and Persepolis;
deutsch von Zenker1, Leipzig 1852.
 
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