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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0061
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Kap. II. Die Kunst des mittleren Asiens, B. Persien und Medien. 41

auf eine vorwiegend ideelle gedankenhafte Auffassung, die allerdings an
die'Stelle der lebendigen Bewegung, des thatkräftigen Handelns, wie es
die assyrischen Sculpturen in naiver Frische zeigten, eine mehr ruhig ge-
haltene, ceremoniös feierliche Würde setzt, die indess innerhalb ihrer Gren-
zen oft eine anziehende Fülle von Motiven, eine mannichfaltige Schattirung-
in der Darstellung derselben Grundform gewährt. Damit hängt denn
auch ein in mancher Hinsicht freierer Styl zusammen, der jedoch andrer-
seits in Frische des Ausdrucks, in Schärfe der Charakteristik und markiger
Energie der Formbehandlung hinter den älteren assyrischen Werken er-
heblich zurücksteht. Nur die Thierdarstellungen, besonders die Kampfscenen
athmen, da auf sie das feierliche Ceremoniel des Hofes sich nicht mit
erstreckt, eine Lebendigkeit ausdrucksvoller Bewegung, die einen merk-
lichen Gegensatz zu der ruhigen Haltung der menschlichen Gestalten bietet.
Von geschichtlichen Darstellungen persischer Sculptur ist bis jetzt nur ein
Beispiel bekannt: die Reliefs an einer gewaltig hohen steilen Felswand zu
Bisutun, dem heutigen Baghistan, südwestlich von Hamadan, in denen
des Darms Sieg über eine Anzahl von Empörern in grossen Reliefsculp-
turen dargestellt ist. Die Kolossalgestalt des Königs, von zwei bewaffneten
Leibwächtern begleitet, setzt den Fuss auf einen am Boden sich krümmen-
den Feind und scheint zürnend auf eine Schaar von neun hinter einander
aufmarschirten Männern zu blicken, die in verschiedener Tracht und durch
einen Strick um den Hals zusammengefesselt, mit rückwärts gebundenen
Händen ihr Urtheil erwarten. Darüber schwebt zwischen ausgedehnten
Keilinschriften der Feroher des Königs.

Die persische Kunst fasst also nicht ohne eigenthümliche Elemente die
Resultate der mittelasiatischen Kunstbestrebungen zu einem glänzenden
Ganzen zusammen und gibt wohl am klarsten im Kreise des antiken Lebens
das Bild eines bewussten frühzeitig auftretenden Eklektizismus. Dennoch,
fehlt es auch hier, wie wir gesehen haben, nicht an selbständig nationalen
Elementen, wenngleich dieselben, bereits am Schlusspunkte einer reichen
Kulturentwicklung angelangt, zu einer kraftvollen, durchgreifenden Ver-
schmelzung des mannichfach fremdher Entlehnten in ein innerlich gleich-
artiges Gesammtbild nicht mehr die Energie besassen.
 
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