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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0180
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160 Zweites Buch. Die klassische Kunst.

Orient, den uralten Stätten menschlicher Bildung-, machte die Vermittlung
der Griechen für die Verbreitung allgemeiner Kultur nothwendig. So sehen
wir griechische Colonieen im Süden des Landes schon früh Wurzel schlagen
und nicht bloss in Sicilien sich ausdehnen, sondern auch die Küsten von
Unteritalien, oder wie es damals genannt wurde, Grossgriechenlan'ä, be-
setzen. Unabhängiger von diesen Einflüssen fremder Kultur hielten sich
in der älteren Zeit die Gegenden Mittelitaliens. Durch die Apenninen und
ihre vielfach verzweigten Ausläufer in eine Anzahl selbständiger Gebiete
gegliedert, boten sie, ähnlich wie Griechenland, der mannichfaltigen Ent-
wicklung verschiedener Stämme geeigneten Spielraum dar. Während die
meisten unter ihnen, Wie schon die Sprache zeigt, demselben Urstamme
angehörten, dem auch die Griechen entsprossten, stehen die alten Etrusker
mit ihrer noch immer unentzifferten Sprache, ihren vielfach abweichenden
Sitten und Gebräuchen, ihrer verschiedenen Körper- und Gesichtsbildung
als ein durchaus selbständiger fremdartiger Stamm mitten im Herzen Ita-
liens. Sie bewohnten die Gebiete, welche durch den Tiber, das Tyrrhe-
nische Meer und den in weitem Bogen zwischen beiden sich ausspannenden
Stock der Apenninen begrenzt werden, und deren grösster Theil, das heu-
tige Toskana, selbst im Namen noch die Erinnerung an die alten Tusci
bewahrt. Wie viel auch über die Abstammung dieses räthselhaften Volkes
gefabelt und vermuthet worden ist; wie fast alle Völker des Alterthums
um die Pathenstelle bei ihnen von der rathlosen modernen Wissenschaft
angegangen sind: das Dunkel ist bis auf den heutigen Tag nicht gelichtet
und das Einzige, was sich mit immer grösserer Wahrscheinlichkeit heraus-
stellt, ist die Abstammung aus nördlichen Gebirgsgegenden. In grauer
Vorzeit scheinen die Etrusker, von der Schönheit des Landes gelockt, nach
Süden hinabgestiegen zu sein und in Mittelitalien feste Niederlassungen
gegründet zu haben. Dass sie als gewaltsame Besitzergreifer ins Land
gerückt sind, lässt sich schon aus der steilen unzugänglichen Lage ihrer
alten Städte schliessen, die obendrein durch ein Schutzbündniss mit ein-
ander vereinigt waren. Ausser dieser losen Verbindung gab es unter ihnen
kein höheres Band der Einheit und es war daher kein Wunder, dass sie
in fortgesetzten Angriffen der früh zu politischer Macht aufstrebenden
Römer überwunden wurden. Nach ihrer politischen Unterjochung verlieren
sie sich allmählich spurlos, wie sie gekommen waren, aus der Geschichte,
ohne irgendwie in politischen Institutionen oder den Erzeugnissen einer
selbständigen Literatur eine Spur von sich zu hinterlassen. Nur in den
ausgedehnten Gräberstäften Mittelitaliens haben sich Zeugnisse einer selb-
ständigen Bauthätigkeit, sowie Werke mannichfacher Kunstfertigkeit, als
Thongefässe, steinerne Sarkophage, eherne Gusswerke, Wandgemälde und
kostbare Schmucksachen vorgefunden. Vieles davon deutet unzweifelhaft
auf griechische Einflüsse hin; in Anderem lässt sich eine selbständige Rieh-
 
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