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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0693
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Kap. VI. Die bild. Kunst im 17. u. 18. Jahrh. 1. Bildnerei. 673

So ging alle Würde, Einfachheit und Wahrheit der Skulptur, aller pla-
stische Styl verloren und machte einem tollen Componiren auf den äusseren
Effekt, auf "blosse Dekorationswirkung Platz. Eine grosse Anzahl höchst
talentvoller Künstler, eine unermesslicho Fülle von Schöpferkraft und
äusseren Mitteln wurde von diesem wüsten Streben verschlungen, und die
Welt mit einer unabsehbaren Schaar prunkvoller, aber innerlich hohler
Werke überschwemmt. Bei diesem verhängnissvollen Abwege bleibt es zu
bewundern, dass doch noch einzelne Künstler sich einfacher und natür-
licher halten, dass besonders das Bildnissfach manche gediegene Leistung
aufweist. Namentlich im Norden behält eine gesundere Sichtung auch so
weit die Oberhand, dass das. alte Erbtheil germanischer Kunst, der Sinn
für das Individuelle, Charakteristische, neben jener verflachenden Tendenz
in zahlreichen tüchtigen Werken zur Geltung gelangt.

Nicht ohne Adel und Ein-
fachheit ist eine Jugendarbeit
des Bildhauers Stefano Ma-
der no, die Marmorstatue der
heil.. Cäcilia in der gleich-
namigen Kirche zu Eom.
Doch erscheint es auch hier
charakteristisch, dass die Hei-
lige am Boden liegend dar-
gestellt ist, als sei sie eben
todt hingestreckt worden,
dass also das Momentane,
Affektvolle den tieferen reli-
giösen Gehalt völlig ver-
schlingt. Der Meister da-
gegen, welcher den entschei-
dendsten Einfluss auf die ge-
sammte Skulptur seiner Zeit
gewonnen hat, ist der auch
als Architekt thätige Lorenzo
Bernini (1598—1680). Bei
überaus grosser, glücklicher
Begabung und einer erstaun-
lichen Leichtigkeit des Schaf-
fens führt er vornehmlich in
der Plastik jene Richtung auf affektvolle, dramatisch entwickelte Handlung
zu den äussersten Consequenzen. Scenen wie der Raub der Proserpina
oder die vor Apoll fliehende Daplme, beide in der Villa Borghese zu Born,

I.übkc, Kunstgeschichte. 2. Aufl. 43

Fig. 351. Apollo und Daphne, von Bernini.
 
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