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Häßler, Hans-Jürgen; Rösing, Friedrich Wilhelm
Zur inneren Gliederung und Verbreitung der Vorrömischen Eisenzeit im südlichen Niederelbegebiet (Teil 1): Mit e. Beitr. von F. W. Rösing über Die Leichenbrände der eisenzeitlichen Gräberfelder von Bargstedt I, Harsefeld und Issendorf III (Kreis Stade) — Hildesheim: Verlag August Lax, 1977

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65516#0125
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der Harsefelder Friedhof hat nur 244 ausgegrabene Bestattungen, von denen noch eine größere
Anzahl der älteren und mittleren vorrömischen Eisenzeit angehören. Offensichtlich müssen hier die
Aussagen differenzierter behandelt werden. Im Gebiet der Kreise Bremervörde, Rotenburg,
Osterholz oder Verden, aber auch im Kreise Stade (vgl. Abb. 1, 13, 14, 15) könnte die vorliegende
Befundsituation die Annahme kleiner Nekropolen nahelegen, nur sind hier Grabungen an Gräber-
feldern dieser Zeit großflächig überhaupt noch nicht durchgeführt worden, so daß heute noch
keine gültigen Aussagen getroffen werden können. Allein das Beispiel von Steinfeld, Kr. Bremer-
vörde, — hier wurden, urkundlich belegt, seit der Mitte des 18. Jhs. bis in die heutige Zeit immer
wieder Gräber gefunden — zeigt, daß wir auch dort größere Friedhöfe vermuten können.
In der mittleren vorrömischen Eisenzeit sind trotz der schlechten Fundsituation weitere Diffe-
renzierungen möglich. Der allgemeine Fundrückgang ist nicht nur für Nordostniedersachsen
bezeichnend (O. HARCK, 1972, 131 ff.). In den oben genannten westlichen Kreisen ist eine fast
vollständige Lücke an Grabfunden zu verzeichnen. Die Fibel aus Barchel, Kr. Bremervörde (Taf.
73, 6b), und die wenigen Beispiele von Gefäßen aus dem Kreise Osterholz (Taf. 67, 2,7), die dem
Typ Lauingen zuzuordnen sind, bleiben bislang die einzigen Objekte, die vermuten lassen, daß im
Gebiet der Kreise Bremervörde, Rotenburg (Wümme) und Osterholz auch in der mittleren vor-
römischen Eisenzeit gesiedelt wurde. Da der Fundanfall dieses Zeithorizontes gemessen an den
zahlreicheren Friedhöfen der älteren vorrömischen Eisenzeit dieser Kreise bedeutend umfangreicher
sein müßte, ist dieses Phänomen mit einer Fundlücke allein nur schwerlich erklärbar. Offensicht-
lich finden hier tiefgreifende Veränderungen in der wirtschaftlichen Struktur oder aber im Bestat-
tungsbrauchtum ihren Ausdruck. Denkbar ist auch eine Siedlungsverdünnung durch Abwanderung.
Da Verfasser nicht die Auffassung vertritt, daß jede Fundlücke unbedingt auf eine Wanderung
zurückzuführen sei, soll diese hier nur als eine der Möglichkeiten angedeutet werden. Bemerkens-
wert ist aber in diesem Zusammenhang, daß auch für die jüngere vorrömische Eisenzeit die Grab-
funde in diesem Bereich vollständig zu fehlen scheinen.
In der Stader-Geest-Gruppe werden mit der fortschreitenden mittleren vorrömischen Eisenzeit
im Elbemündungsgebiet Veränderungen spürbar, die in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit zu
einer anderen Entwicklung führten als sie im östlich der Oste gelegenen Teil dieser Gruppe er-
kennbar werden. Daß diese Veränderungen auf die Landnahme durch eine aus dem skandinavi-
schen Norden vorrückende Volkswelle ausgelöst wurden (K. WALLER, 1941/42, 258 f.), ließ sich
am Material nicht nachweisen. Das Elbemündungsgebiet ist an der typologischen Entwicklung der
Metallgeräte der umliegenden nördlichen und östlichen Fundräume widerspruchslos beteiligt. Nur
in der Tonware werden Unterschiede faßbar. Wie die Ausführungen zeigten, sind es besonders die
„Riesenurnen“ von Berensch, die eine Sonderstellung einnehmen. Obwohl ihr Vorkommen
außergewöhnlich ist, dürfen sie nicht zu Überinterpretationen verleiten. Sie stehen — zahlenmäßig
gering — zu isoliert da, um als Nachweis einer Einwanderung von Volksgruppen aus dem Norden
gelten zu können, zumal die in ihnen gefundenen Beigaben wieder ganz dem allgemeinen Formen-
gut dieser Zeit entsprechen. Hier dürften wohl lokale, den Totenkult betreffende oder andere
Erklärungen dem wahren Sachverhalt näher kommen. Auch die in Berensch beobachteten kleinen
Grabhügel sind keineswegs ein so stichhaltiges Argument für eine eingewanderte Gruppe, zumal
nicht mehr eindeutig zu klären ist, ob es sich hierbei überhaupt um Hügel im rituellen Sinne
handelt oder um Aufschüttung des von den großen Gefäßen anfallenden Aushubes. Wahrschein-
licher ist die Annahme, daß sich, bedingt durch die geographische Situation und die damit verbun-
dene Ökologie dieses Raumes, allmählich eine Differenzierung in den einzelnen Teillandschaften
der Gruppen vollzog, die im Spätlatene und in der römischen Kaiserzeit zu einer ethnischen Pro-
filierung führte.
Ohne diese Annahme überzubewerten sind für die mittlere vorrömische Eisenzeit der
Stader-Geest-Gruppe viele Gemeinsamkeiten im Fundgut zwischen deren westlichem und östlichem
Bereich zu erkennen. Dies gilt vor allem auch für die Belegungskontinuität und den Nachweis, daß

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