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Bruckschen, Martina
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 33): Glasfunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus Braunschweig: Bedeutung, Verwendung und Technologie von Hohlglas in Norddeutschland — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2004

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68703#0235
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V. Schlußbetrachtung und Ausblick

Im Zuge stadtarchäologischer Tätigkeiten zwi-
schen 1976 und 1992 in Braunschweig ist eine
umfangreiche Menge von Glasgegenständen zu-
tage gefördert worden. Auf der Grundlage dieses
Fundguts wurde eine umfassende Materialvorlage
erstellt und ausgewertet, um einen Einblick in Be-
deutung und Verfügbarkeit von Glas in einer nord-
deutschen Hansestadt vom 12. bis ins 17. Jahr-
hundert zu ermöglichen.
Die Bestandsaufnahme hat ein reiches Repertoire
an Glasgefäßen erbracht, die in ihren vielfältigen
Ausführungen als Tafelgeschirr und Haushalts-
glas die Varianzbreite der Verwendung von Glas
im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alltag
vor Augen führt. Dabei bot sich insbesondere für
das reich überlieferte Tischgeschirr eine breite
funktionelle Gliederung an, wobei die Objekte
unter Berücksichtigung formaler und dekorativer
Merkmale in 81 stilistische Untergruppen von
Trink- und Schenkgefäßen sowie Gegenstände
des weiteren Tafelbereichs eingeteilt und in eine
chronologische Abfolge gebracht wurden.
Darüber hinaus wird die Vielseitigkeit des Werk-
stoffs an den Glasgegenständen medizinisch-al-
chimistischer Verwendungsbereiche, technischen
Glasgerätschaften sowie an Schmuckzubehör
deutlich, die nach ihren jeweiligen Verwendungs-
zwecken in weiteren 11 Gruppierungen vorge-
stellt wurden.
Unter Berücksichtigung der Ausgrabungsergeb-
nisse wurde das Glasmaterial in Zeitabschnitte
vom 12./13. bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert
eingestuft, wobei insbesondere dem reichen Nie-
derschlag von Glasgefäßen des 13./14. Jahrhun-
derts eine herausragende Bedeutung beizumessen
ist. Dabei waren für die nahezu ausschließlicli aus
Kloaken stammenden Glasrelikte engere zeitliche
Ansprachen nur begrenzt möglich, da sie weitge-
hend über Analogiedatierungen erarbeitet wer-
den mußten.
Auf diese Weise wurde eine umfangreiche Glasty-
penvorlage erstellt, die einen Überblick über Be-
stand und Wandel der Formen- und Funktions-
spektren einzelner Zeitabschnitte ermöglicht hat
(Kap. III). Im Mittelpunkt der Betrachtung stan-
den Aussagen zu stilistischen und technologischen
Eigenschaften der Artefakte ebenso wie zu deren
Datierung und möglichen Herkunftsgebieten. Ihre

forschungsgeschichtliche Relevanz und kulturhis-
torische Bedeutung wurde anhand von Vergleichs-
funden bestimmt, die zum einen im gesamten mit-
teleuropäischen Raum zu suchen und zu finden
waren. Zum anderen wurde ein besonderes Au-
genmerk auf die Erschließung von Vergleichsmate-
rial im gesamten norddeutschen Raum gerichtet,
wozu weitere überwiegend unpublizierte Magazin-
bestände und dankenswerterweise zur Verfügung
gestellte Publikationsvorlagen in die Untersu-
chung einbezogen wurden. Diese konnten neben
der Braunschweiger Sammlung für die Gewinnung
zusätzlicher Erkenntnisse zur geographischen Ver-
breitung und Verfügbarkeit von Glas in Nord-
deutschland nutzbar gemacht werden.
Auf diese Weise konnte insbesondere für überregi-
onale und internationale Glastypen des 13./14.
Jahrhunderts eine wesentlich weiter nördliche
Ausdehnung bzw. Konzentration festgestellt wer-
den, als dies der Forschungsstand bislang zu er-
kennen gab. So gibt das Braunschweiger Fundma-
terial, aus dem neben islamischen Goldemailbe-
chern als Preziosen vor allem eine beachtliche
Auswahl an Trinkglastypen aus farblosem Soda-
Asche-Glas, vermutlich überwiegend mediterra-
ner Provenienz, überliefert ist, einen repräsentati-
ven Einblick in den mitteleuropäischen Glasfor-
menbestand. Neben geläufigen Becherarten in
breiter formaler und dekorativer Varianz besticht
insbesondere der hohe Anteil an farblosen Rip-
penbechern, die sich als hauptsächliche Trinkglas-
form innerhalb der farblosen Geschirrensembles
des 13./14. Jahrhunderts abzeichnen. Menge und
Ausführungsvielfalt gaben Anlaß für erste Beob-
achtungen typologischer und - nach Durchfüh-
rung einer Reihe von Glasanalysen - auch techno-
logischer Art, die als erster Ansatz für weitere
überregionale Studien zu dieser Glasform dienen
sollen. Als ergänzende Bestandteile der gehobe-
nen Tischgeschirrausstattungen verdient eine Rei-
he von farblosen Schenkgefäßen besondere Be-
achtung, die den bislang geringen Fundbestand
um einige, zum Teil neue, Varianten bereichern.
Einen wichtigen Beitrag zur noch weitgehend ge-
ringen Formen- und Materialkenntnis vermutlich
regionaler Glasprodukte erbrachte die Fundvor-
lage großvolumiger Bechergruppen, einiger Son-
derformen sowie insbesondere der Bestand an
Schenkgefäßen, was Aussagemöglichkeiten über
zeitgenössisches Gebrauchsgeschirr und dessen

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