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Bauerochse, Andreas [Hrsg.]; Haßmann, Henning [Hrsg.]; Püschel, Klaus [Hrsg.]
"Moora" - Das Mädchen aus dem Uchter Moor: eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen (Band 37): "Moora" - das Mädchen aus dem Uchter Moor — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2008

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Haßmann, Henning; Metzler, Alf: Das Mädchen aus dem Uchter Moor - eine archäologische Einführung
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https://doi.org/10.11588/diglit.69460#0020
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Das Mädchen aus dem Uchter Moor - eine archäologische Einführung
Henning Hassmann und Alf Metzler
Zusammenfassung: Bis zur Entdeckung einer mumifizierten Hand war die beim Torfabbau im Uchter Moor gefun-
dene Mädchenleiche als Kriminalfall behandelt worden. Die im Frühjahr 2005 durch das Niedersächsische Landes-
amt für Denkmalpflege veranlassten Untersuchungen wiesen die etwa 2.650 Jahre alte Moorleiche der keltisch beein-
flussten vorrömischen Eisenzeit zu, die noch einige Forschungslücken aufweist, insbesondere zu den Lebensumstän-
den der zur damaligen Zeit ausnahmslos brandbestatteten Menschen.
Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Erhaltungsbedingungen für organisches Material bilden Moore einzigartige
archäologische Bodenarchive, die sonst kaum mögliche Einblicke in Leben und Umwelt vergangener Jahrtausende
erlauben. Im Fokus stehen neben den Moorleichen Moorwege, Siedlungsreste und Hortfunde, deren Entdeckungs-
wahrscheinlichkeit durch den maschinellen Torfabbau drastisch gesunken ist. Der fortschreitende Verlust der Moore
ist eine große Herausforderung für die forschungsorientierte Denkmalpflege.
Die Ausgrabungen am Fundort der in 60 cm Tiefe am Übergang von schwach zersetztem hellen zu stark zer-
setztem dunklen Hochmoortorf (Schwarzweißkontakt) gelegenen Moorleiche zeigten, dass die alte Oberfläche vor
Beginn von Melioration und Torfabbau ca. 2-3 m über heutigem Niveau gelegen hat. Unter den weiteren Moor-
leichenfragmenten wurden auch Nassfunde geborgen. Hinweise auf Bekleidung, Ausrüstung oder Einbettungsum-
stände fanden sich nicht, was jedoch den Lagerungsbedingungen im Moor geschuldet sein könnte. Nach den ersten
archäologischen und medizinischen Untersuchungen sind weitere interdisziplinäre Forschungen am „Mädchen aus
dem Uchter Moor“ und ihrem Lebensumfeld notwendig.
Schlagworte: Moorleiche, Moorweg, Moorarchäologie, archäologische Denkmalpflege, vorrömische Eisenzeit
Abstract: Up until the discovery of a mummified hand the corpse of a girl found in the peat cutting in “Uchter Moor”
had been treated as a criminal case. Investigations of the Lower Saxonian State Service for Cultural Heritage in the
spring of 2005 determined the find as an approximately 2,650 years old bog body from the Celtic-influenced pre-
Roman Iron Age. This era still has some gaps in research, particularly on the life circumstances of mostly cremated
people.
Because of their exceptional conditions for preserving organic material mires are unique archaeological archives.
They allow otherwise hardly possible insights into life and environment of past millennia. Besides the bog bodies the
focus is on trackways, settlement remains and hoards. The probability of discovery has decreased materially as a result
of mechanised peat cutting. The progressive loss of peatlands is a huge challenge for the archaeological heritage
management.
Düring the excavations the bog body was located in 60 cm depth near the transition from weak to strong decom-
posed raised bog. Before the start of peat cutting the old surface was situated 2-3 m above the current level. Among
other findings from the corpse the archaeologists were successful in salvaging wet fragments of the bog body. Refe-
rences to clothing, equipment or embedding circumstances were not found. The lack of such findings could of course
be attributable to the storage conditions of the mire. Following the initial archaeological and medical examinations
further interdisciplinary research on the iron-age girl and her environment is required.
Keywords: bog body, trackway, wetland archaeology, archaeological heritage management, pre-Roman Iron Age

Ein Leichenfund im Uchter Moor
Im Spätsommer 2000 wurden dank der Aufmerk-
samkeit eines Maschinenführers beim Torfabbau
im Uchter Moor Teile einer durch eine Torfstich-
maschine fragmentierten menschlichen Leiche
gefunden, die von den ermittelnden Behörden
zunächst mit einer ungeklärten Todessache in
Verbindung gebracht wurde. Im Januar 2005 stieß
man dann bei weiteren Abbauarbeiten an der sel-
ben Stelle auf eine mumifizierte Hand (vgl.
Püschel et al. in diesem Band). Die Ermittlungen
wurden daraufhin erneut aufgenommen und
erfuhren durch die Hinzuziehung des Nieder-
sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege
(NLD) eine Wende. Sicherheit über die Alters-

stellung der zunächst grob in das erste vorchrist-
liche Jahrtausend datierten Moorleiche erbrachte
eine AMS-Datierung im Leibnizlabor für Altersbe-
stimmung und Isotopenforschung der Universität
Kiel in den Zeitraum um 650 v. Chr. (2475 +/- 20
Jahre BP; entspricht 764 - 515 B.C.). Damit ist der
als „Mädchen aus dem Uchter Moor“ in die For-
schung eingeführte Moorleichenfund der älteste
in Niedersachsen. Die Namensgebung „Moora“
(Hassmann 2005a) steht beispielhaft für das
große öffentliche Interesse.
Aufbauend auf den im Rahmen der Ermitt-
lungsarbeiten erfolgten rechtsmedizinischen und
anthropologischen Untersuchungen (Püschel et
al. 2005) folgten 2005 umfangreichen nichtinva-
sive, bildgebende radiologische Dokumentatio-
 
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