Die Tote im Moor
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Abb. 2 Die sterblichen Überreste des Mädchens aus dem Uchter Moor im Museum in Herne (Foto Hoffbauer)
zur Schauburg zu trampen. Obwohl Elke, wie
eine andere Freundin weiß, schon einmal ein zer-
kratztes Gesicht mitgebracht hat.
Elke Kerll ist ein hübsches Mädchen. Klein,
zierlich, die dunklen Haare neuerdings nach hin-
ten gekämmt. Das auffallend blasse Gesicht und
die hellgrauen Augen verraten nicht, dass sie fast
noch ein Kind ist. Die Praktikantin, die wochen-
tags im Schülerheim des Ortes Loccum nahe dem
Steinhuder Meer im Haushalt hilft, hat sich in
der „Schauburg“ mit ihrem Freund „Hansel“ ver-
abredet. Beide tanzen zuerst. Setzen sich dann
alleine an einen Tisch, nippen an ihren Frucht-
säften. Andere junge Männer fordern Elke zum
Tanzen auf. Man kennt sich aus den wenigen
dörflichen Jugendtreffs. Gegen 22 Uhr fragt Re-
gine Schäfer, die eine Fahrgelegenheit hat, ihre
Freundin, ob sie nicht mit nach Hause wolle. Elke
möchte weitertanzen. Sie hat ein Mädchen aus
Wellie getroffen, dem Dorf, in dem sie 1954 zur
Welt kam. Es ist die 17-jährige Anita Mandt. Ein
Bekannter aus Uchte hat Anita nach Nienburg
mitgenommen und will sie auch wieder nach
Hause bringen.
Als der junge Mann um Mitternacht in der
Disko aufkreuzt, bestürmt ihn Elke sogleich, sie
auf der Rückfahrt auch nach Loccum zu bringen.
Er verspricht, Anita und Elke um 3 Uhr früh in
der Leinstraße aufzulesen, die nahe der Schau-
burg die Park- und Wallanlagen der alten Garni-
sonsstadt durchschneidet. Elkes Freund „Han-
sel“, den die Polizei später als den 18-jährigen
Fernmeldelehrling Hans-Wilhelm Vehrenkamp
identifizieren wird, bricht gegen 0.30 Uhr zu Fuß
in das an Nienburg grenzende Straßendorf HoL
torf auf. „Ich begab mich allein“, lautet seine Aus-
sage vom 13. Februar 1970, „nach Holtorf und
wollte bei Jürgen Pechmann übernachten.“
Elke und Anita machen sich schon bald nach
1 Uhr in die Leinstraße auf. Während sie Anitas
Bekannten erwarten, kommt „Heinzi“ vorbei, der
auch ein Auto hat. Plötzlich ändert Elke ihren
Plan. Sie will nun auch zu Jürgen Pechmann, den
seine Freunde „Pauli“ nennen, und von dort am
nächsten Tag nach Loccum trampen. Den wei-
teren Verlauf der Nacht schildert Anita Mandt
bei ihrer Vorladung am 9. Februar 1970: „Zusam-
men fuhren wir dorthin. Ich hatte den Eindruck,
dass Elke sich da auskannte. Wir warfen Schnee
an ein Fenster im ersten Stock. Pauli sollte da mit
seiner Oma wohnen. Die Tür wurde von einem
„Hansel“ geöffnet. In der Leinstraße hatte mir
Elke erzählt, dass dieser „Hansel“ ihr Freund sei.
Außerdem war noch ein Frank da. Wir sind im
Haus hoch geschlichen, damit die Oma nichts
hörte.“
Der 19-jährige Arbeiter Jürgen Pechmann
erzählt der Kripo am 13. Februar 1970 seine Ver-
sion: „In meinem Zimmer hielten sich Hans Veh-
renkamp und Frank Denson auf. Frank wohnte
im Dezember bei mir.. Anita und Heinzi blieben
etwa eine Stunde. Als die beiden wegfuhren,
legten wir uns alle schlafen. Frank und ich schlie-
fen in einem Raum in getrennten Betten, während
Elke und Hansel im Nebenraum schliefen...Ich
wurde gegen 8 Uhr von Elke geweckt. Sie fragte,
ob ich jemanden wüsste, der sie zur Arbeit fahren
könnte. . .Als Elke mich weckte, war sie bereits
angezogen. Hansel hatte sich auch fertig gemacht
und wollte sie eine Strecke zur Straße begleiten.
Nach etwa 15 Minuten kam er wieder und legte
sich im Nebenzimmer schlafen.“
Der 20-jährige Frank Denson, der dritte Mann
der Holtorfer Nacht, ein im Landkreis Nienburg
geborener britischer Staatsangehöriger und zu
jener Zeit Fensterputzer, weicht von dieser Aus-
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Abb. 2 Die sterblichen Überreste des Mädchens aus dem Uchter Moor im Museum in Herne (Foto Hoffbauer)
zur Schauburg zu trampen. Obwohl Elke, wie
eine andere Freundin weiß, schon einmal ein zer-
kratztes Gesicht mitgebracht hat.
Elke Kerll ist ein hübsches Mädchen. Klein,
zierlich, die dunklen Haare neuerdings nach hin-
ten gekämmt. Das auffallend blasse Gesicht und
die hellgrauen Augen verraten nicht, dass sie fast
noch ein Kind ist. Die Praktikantin, die wochen-
tags im Schülerheim des Ortes Loccum nahe dem
Steinhuder Meer im Haushalt hilft, hat sich in
der „Schauburg“ mit ihrem Freund „Hansel“ ver-
abredet. Beide tanzen zuerst. Setzen sich dann
alleine an einen Tisch, nippen an ihren Frucht-
säften. Andere junge Männer fordern Elke zum
Tanzen auf. Man kennt sich aus den wenigen
dörflichen Jugendtreffs. Gegen 22 Uhr fragt Re-
gine Schäfer, die eine Fahrgelegenheit hat, ihre
Freundin, ob sie nicht mit nach Hause wolle. Elke
möchte weitertanzen. Sie hat ein Mädchen aus
Wellie getroffen, dem Dorf, in dem sie 1954 zur
Welt kam. Es ist die 17-jährige Anita Mandt. Ein
Bekannter aus Uchte hat Anita nach Nienburg
mitgenommen und will sie auch wieder nach
Hause bringen.
Als der junge Mann um Mitternacht in der
Disko aufkreuzt, bestürmt ihn Elke sogleich, sie
auf der Rückfahrt auch nach Loccum zu bringen.
Er verspricht, Anita und Elke um 3 Uhr früh in
der Leinstraße aufzulesen, die nahe der Schau-
burg die Park- und Wallanlagen der alten Garni-
sonsstadt durchschneidet. Elkes Freund „Han-
sel“, den die Polizei später als den 18-jährigen
Fernmeldelehrling Hans-Wilhelm Vehrenkamp
identifizieren wird, bricht gegen 0.30 Uhr zu Fuß
in das an Nienburg grenzende Straßendorf HoL
torf auf. „Ich begab mich allein“, lautet seine Aus-
sage vom 13. Februar 1970, „nach Holtorf und
wollte bei Jürgen Pechmann übernachten.“
Elke und Anita machen sich schon bald nach
1 Uhr in die Leinstraße auf. Während sie Anitas
Bekannten erwarten, kommt „Heinzi“ vorbei, der
auch ein Auto hat. Plötzlich ändert Elke ihren
Plan. Sie will nun auch zu Jürgen Pechmann, den
seine Freunde „Pauli“ nennen, und von dort am
nächsten Tag nach Loccum trampen. Den wei-
teren Verlauf der Nacht schildert Anita Mandt
bei ihrer Vorladung am 9. Februar 1970: „Zusam-
men fuhren wir dorthin. Ich hatte den Eindruck,
dass Elke sich da auskannte. Wir warfen Schnee
an ein Fenster im ersten Stock. Pauli sollte da mit
seiner Oma wohnen. Die Tür wurde von einem
„Hansel“ geöffnet. In der Leinstraße hatte mir
Elke erzählt, dass dieser „Hansel“ ihr Freund sei.
Außerdem war noch ein Frank da. Wir sind im
Haus hoch geschlichen, damit die Oma nichts
hörte.“
Der 19-jährige Arbeiter Jürgen Pechmann
erzählt der Kripo am 13. Februar 1970 seine Ver-
sion: „In meinem Zimmer hielten sich Hans Veh-
renkamp und Frank Denson auf. Frank wohnte
im Dezember bei mir.. Anita und Heinzi blieben
etwa eine Stunde. Als die beiden wegfuhren,
legten wir uns alle schlafen. Frank und ich schlie-
fen in einem Raum in getrennten Betten, während
Elke und Hansel im Nebenraum schliefen...Ich
wurde gegen 8 Uhr von Elke geweckt. Sie fragte,
ob ich jemanden wüsste, der sie zur Arbeit fahren
könnte. . .Als Elke mich weckte, war sie bereits
angezogen. Hansel hatte sich auch fertig gemacht
und wollte sie eine Strecke zur Straße begleiten.
Nach etwa 15 Minuten kam er wieder und legte
sich im Nebenzimmer schlafen.“
Der 20-jährige Frank Denson, der dritte Mann
der Holtorfer Nacht, ein im Landkreis Nienburg
geborener britischer Staatsangehöriger und zu
jener Zeit Fensterputzer, weicht von dieser Aus-