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E. Jopp, K. Püschel und A. Bauerochse / A. Fuhrmann und U. J. Rother
Abb. 1 Nach der polizeilichen Bergung der Moorleiche
zusammengefügte Skelettteile im Institut für Rechtsmedizin
im Jahr 2000 (Foto Gnass 2000)
das Stirnbein mit den Augenhöhlenrändern er-
halten; Abb. 3) und einem gemessenen Index
ischio-pubicus von 72,3 am Becken (nach Novot-
ny 1972 in Sjovold 1988) schien ein weibliches
Geschlecht aber wahrscheinlich. Die Schätzung
der Körpergröße gemessen an allen vorhandenen
Langknochen nach Rother (1978) ergab einen
Wert von mindestens 146 cm ± 4,03 cm. Weiter-
führende Aussagen über die Todesursache waren
nicht möglich, da geformte Verletzungen oder
Werkzeugspuren, die auf intravitale Gewaltein-
wirkungen hingedeutet hätten nicht festgestellt
werden konnten.
Diese Ergebnisse brachten die ermittelnden
Behörden mit dem noch ungeklärten Fall eines
abgängigen 16-jährigen Mädchens aus der Region
in Zusammenhang, dass seit den 1960er Jahren
vermisst wurde. Eine Einschätzung der Leichen-
liegezeit mittels der Radiokarbondatierung und
damit verbunden auch die Möglichkeit zur Klä-
rung der Frage ob es sich bei der Moorleiche um
einen archäologischen Fund handeln könnte,
verschwanden damit gänzlich aus dem Fokus.
Zur Identifizierung des Leichnams erfolgten
zunächst odontologische Untersuchungen. Da
Ober- und Unterkiefer mit zum Teil noch darin
befindlichen Zähnen vorhanden waren, wurden
beide zur besseren Beurteilung des Zahnstatus
geröntgt. Dabei zeigte es sich, dass zumindest an
den noch vorhandenenZähnen keine Zahnarbeiten
durchgeführt worden waren; die Zahnkronen
waren zum größten Teil zerstört. Das Zahnwurzel-
wachstum wurde als abgeschlossen beurteilt, was
insgesamt dazu führte, dass - insbesondere unter
Berücksichtigung des abgeschlossenen Wurzel-
wachstums der Weisheitszähne - das Lebensalter
auf ca. 17-19 Jahre geschätzt wurde (vgl. Fuhrmann
& Rother im Kasten). Da auch die polizeilichen
Ermittlungen keine Hinweise auf Zahnarztbesuche
der Vermissten erbrachten - das vermisste Mädchen
war offenbar nie bei einem Zahnarzt gewesen - erga-
ben sich hieraus jedoch keine weiteren Hinweise
zur Identifizierung.
Auch der Versuch eines DNS-Abgleichs des
Leichnams mit den noch lebenden Eltern des ver-
missten Mädchens im Hamburger DNS-Labor
erbrachte aufgrund einer fortgeschrittenen Pro-
tein-Denaturierung keine verwertbaren Ergeb-
nisse. Zur weiteren Untersuchung wurden daher
einige Knochenproben an das Institut für Zoolo-
gie und Anthropologie der Universität Göttingen,
Abteilung für historische Anthropologie und
Humanökologie, übergeben. Dort erfolgten spe-
zielle molekularbiologische Analysen der mito-
chondriellen DNS (auch im Vergleich mit der
DNS der vermeintlichen Eltern), deren Resultate
allerdings keine verwandtschaftlichen Verbin-
dungen zwischen der Leiche aus dem Moor und
den Eltern der Vermissten erbrachten (Püschel
et al. 2005).
Mit dem Fund der fehlenden rechten Hand im
Januar 2005 an der Stelle im Moor, an der fünf
Jahre zuvor die Moorleiche gefunden worden war
und der nunmehr hinzugezogenen Archäologen
nahm der Fall eine überraschende Wende. Radio-
karbondatierungen erbrachten einen historischen
Hintergrund des Fundes. Die daraufhin fachkun-
E. Jopp, K. Püschel und A. Bauerochse / A. Fuhrmann und U. J. Rother
Abb. 1 Nach der polizeilichen Bergung der Moorleiche
zusammengefügte Skelettteile im Institut für Rechtsmedizin
im Jahr 2000 (Foto Gnass 2000)
das Stirnbein mit den Augenhöhlenrändern er-
halten; Abb. 3) und einem gemessenen Index
ischio-pubicus von 72,3 am Becken (nach Novot-
ny 1972 in Sjovold 1988) schien ein weibliches
Geschlecht aber wahrscheinlich. Die Schätzung
der Körpergröße gemessen an allen vorhandenen
Langknochen nach Rother (1978) ergab einen
Wert von mindestens 146 cm ± 4,03 cm. Weiter-
führende Aussagen über die Todesursache waren
nicht möglich, da geformte Verletzungen oder
Werkzeugspuren, die auf intravitale Gewaltein-
wirkungen hingedeutet hätten nicht festgestellt
werden konnten.
Diese Ergebnisse brachten die ermittelnden
Behörden mit dem noch ungeklärten Fall eines
abgängigen 16-jährigen Mädchens aus der Region
in Zusammenhang, dass seit den 1960er Jahren
vermisst wurde. Eine Einschätzung der Leichen-
liegezeit mittels der Radiokarbondatierung und
damit verbunden auch die Möglichkeit zur Klä-
rung der Frage ob es sich bei der Moorleiche um
einen archäologischen Fund handeln könnte,
verschwanden damit gänzlich aus dem Fokus.
Zur Identifizierung des Leichnams erfolgten
zunächst odontologische Untersuchungen. Da
Ober- und Unterkiefer mit zum Teil noch darin
befindlichen Zähnen vorhanden waren, wurden
beide zur besseren Beurteilung des Zahnstatus
geröntgt. Dabei zeigte es sich, dass zumindest an
den noch vorhandenenZähnen keine Zahnarbeiten
durchgeführt worden waren; die Zahnkronen
waren zum größten Teil zerstört. Das Zahnwurzel-
wachstum wurde als abgeschlossen beurteilt, was
insgesamt dazu führte, dass - insbesondere unter
Berücksichtigung des abgeschlossenen Wurzel-
wachstums der Weisheitszähne - das Lebensalter
auf ca. 17-19 Jahre geschätzt wurde (vgl. Fuhrmann
& Rother im Kasten). Da auch die polizeilichen
Ermittlungen keine Hinweise auf Zahnarztbesuche
der Vermissten erbrachten - das vermisste Mädchen
war offenbar nie bei einem Zahnarzt gewesen - erga-
ben sich hieraus jedoch keine weiteren Hinweise
zur Identifizierung.
Auch der Versuch eines DNS-Abgleichs des
Leichnams mit den noch lebenden Eltern des ver-
missten Mädchens im Hamburger DNS-Labor
erbrachte aufgrund einer fortgeschrittenen Pro-
tein-Denaturierung keine verwertbaren Ergeb-
nisse. Zur weiteren Untersuchung wurden daher
einige Knochenproben an das Institut für Zoolo-
gie und Anthropologie der Universität Göttingen,
Abteilung für historische Anthropologie und
Humanökologie, übergeben. Dort erfolgten spe-
zielle molekularbiologische Analysen der mito-
chondriellen DNS (auch im Vergleich mit der
DNS der vermeintlichen Eltern), deren Resultate
allerdings keine verwandtschaftlichen Verbin-
dungen zwischen der Leiche aus dem Moor und
den Eltern der Vermissten erbrachten (Püschel
et al. 2005).
Mit dem Fund der fehlenden rechten Hand im
Januar 2005 an der Stelle im Moor, an der fünf
Jahre zuvor die Moorleiche gefunden worden war
und der nunmehr hinzugezogenen Archäologen
nahm der Fall eine überraschende Wende. Radio-
karbondatierungen erbrachten einen historischen
Hintergrund des Fundes. Die daraufhin fachkun-