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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 17.1974

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Nr. 3
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Schmeußer, Heinrich; Parthe, Franz: Die Sprachenfeindlichkeit der neugestalteten gymnasialen Oberstufe
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https://doi.org/10.11588/diglit.33068#0046

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legungen über die KMK-Vereinbarung hinaus. Die KMK-Vereinbarung setzt stets
Mindestforderungen, die lediglich um der allgemeinen Hochschulreife willen nicht
unterschritten, aber doch sicher begründet überschritten werden dürfen. In Ziff. 7.5.1
und 7.5.2 der Vereinbarung kommt der Begriff „mindestens“ nicht weniger als 6mal
vor.
4. Schüler des naturwissenschaftlichen Gymnasiums müssen wegen der geforderten
4 Studienhalbjahre in Fremdsprachen 1 Jahreswochenstunde mehr besuchen als bisher
(5 Jahreswochenstunden). - Gemessen an den 13,3 Jahreswochenstunden der Fremd-
sprachenstudien des Durchschnitts aller Gymnasialtypen sind 6 Jahreswochenstunden
immer noch eine starke Einschränkung. Es geht nicht an, gymnasiale Bildung an einem
für einen bestimmten Schultyp einmal festgelegten kleinsten Nenner zu orientieren
oder diesen Mindeststand gar noch zu unterschreiten, vielmehr muß u. E. dem radikalen
Abbau des fremdsprachlichen Unterrichts in den Grundkursen an den sprachlichen
Gymnasien eine geringfügige Zulage in diesem Bereich am math.-naturwissenschaft-
lichen Gymnasien gegenüberstehen, wenn eine gemeinsame liberale und schultypische
Form der Oberstufe aller Gymnasien gefunden werden soll. '
5. Schwieriger sind Argumente zu entkräften, die von einer Aufgabenfeldsymmetrie
hergeleitet werden: Die Symmetrie, die in der KMK-Vereinbarung (Ziff. 7.5.2) zwi-
schen dem sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld (2 Hj. Deutsch, 2 Hj.
Fremdsprachen, 2 Hj. Literatur bzw. künstlerische Kurse) und dem mathematisch-
naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld (2 Hj. Mathematik, 4 Hj. in den Natur-
wissenschaften) dürfe nicht verletzt werden. - Diese Argumente sind umso weniger
greifbar, als sie sich mehr von der leichteren politischen Realisierbarkeit des einmal
Beschlossenen als vom curricularen Denken herleiten, das ja kaum die auf unsere'Ge-
sellschaft bezogenen Lernziele more geometrico aufgeteilt sieht. Wenn man die Lei-
stungen der Fremdsprachenkurse für das Studium und die Forschung in allen drei Auf-
gabenfeldern und für andere Bereiche unserer Gesellschaft, also ihre funktionale Zu-
ordnung zu den übrigen Aufgabengebieten berücksichtigt, dann erscheint die etablierte
Aufgabenfeldsymmetrie wohl kaum als der pädagogischen Weisheit letzter Schluß. Das
Fehlen eines gymnasialen Gesamtcurriculums macht sich in diesem Zusammenhang
schmerzlich bemerkbar. Es wird sich auch nicht so schnell erstellen lassen. Nur müßte
es vorliegen, wenn man die drastische Kürzung der Fremdsprachenstudien an unseren
Gymnasien begründen und hinnehmen wollte. Solange ein Gesamtcurriculum fehlt,
findet eine Orientierung der dikdatischen Steuerung der Kollegstufe an der Schultyp-
neutralität eher allgemeine Zustimmung als eine dekretierte Bevorzugung eines einzel-
nen Schultyps, die dann lediglich mit einer formalen Aufgabenfeldsymmetrie begrün-
det wird.
Hält man das Symmetriedenken für weniger sakrosankt und betrachtet man statt
dessen auch noch das Curriculum für den Grundkurs Deutsch5, dann wird auf den
ersten Blick augenfällig, daß auch dieses Fach wie kein anderes in geradezu hilfsbereiter
Aufgeschlossenheit wichtige studienpropädeutische Dienste für alle drei Aufgabenfelder
in gleicher Weise leistet. Bekanntlich ist dieses Curriculum aus einem Klagekatalog
entwickelt worden, den Vertreter aller Wissenschaftsbereiche zum Zweck der Verbesse-
rung der formalen Studierfähigkeit durch das gymnasiale Unterrichtsfach Deutsch auf-
gestellt hatten. Schlägt man die Lernziele dieses Kurses in der Muttersprache allen drei
Aufgabenfeldern gebührend zu, nimmt man dieses Curriculum als Fundament aller
drei Aufgabenfelder, dann ist die geforderte größere Anrechnungsverpflichtung im
Aufgabenfeld I (Sprache, Lit., Kunst) gerechtfertigt.

5 Schulreform in Bayern, München 1972, Band 2, S. 69 f.
 
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