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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 33.1990

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Nr. 2
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Aufsätze
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Fuhrmann, Manfred: Neues über die "Fälle aus dem römischen Recht": Ein bedauerlicher Prozeß um Urheberrechte
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https://doi.org/10.11588/diglit.35873#0035

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aequi — Texte zum römischen Privatrecht", herausgebracht von einem bayerischen
Schulbuchveriag und genehmigt von der bayerischen Kuitusbehörde. FL gelangten so-
fort zu der Überzeugung, daß sich der Verfasser der ,,Ars boni et aequi", ein juristi-
scher Laie (hinfort X genannt), eines handgreiflichen Plagiats schuldig gemacht habe.
Verlag und X zeigten sich uneinsichtig, und so kam es zum Prozeß vor der für urheber-
rechtliche Fragen zuständigen 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim. Das inzwi-
schen rechtskräftige Urteil vom 11.8.1989 (Geschäftsnummer 7 - 0 - 259/88) gab dem
Antrag der Kläger FL in vollem Umfang statt; insbesondere wird dort der weitere Ver-
trieb der ,,Ars boni et aequi" untersagt.
Gegenstand des Verfahrens waren nicht die einzelnen Texte aus dem Corpus Iuris und
anderen Quellen des römischen Rechts: sie gelten als 'gemeinfrei' und genießen kei-
nerlei urheberrechtlichen Schutz. Gegenstand des Streites waren auch nicht die wort-
reichen, zum Teil recht anfechtbaren Erläuterungen, mit denen X sein Werk ausgestat-
tet hatte. Es ging vielmehr um die Auswahl und Anordnung, die FL für ihre ,,Fälle" ge-
troffen hatten; es ging also um die Frage, ob in den ,,Fällen" ein urheberrechtlich ge-
schütztes 'Sammelwerk' von individueller geistiger Prägung zu erblicken sei, von dem
sich X in ungebührlichem Maße habe anregen lassen. Die Beklagten führten aus, daß
die in der,,Ars boni et aequi" praktizierte Benutzung der,,Fälle" die Grenze des Zu-
lässigen nicht überschritten habe: einige Texte hätten sich X für den schulischen
Zweck seines Werkes geradezu aufgedrängt; überdies werde ein gut Teil der von FL
ausgewählten Texte in den ,,Projektlisten" zu den ,Handreichungen für den Latein-
unterricht" (Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München 1984,
S. 101; 145) vorgeschrieben.
Das Gericht bejahte, daß die ,,Fälle" eine ,,persönliche geistige Schöpfung seien: FL
hätten aus einer Vielzahl von vorhandenen und zum schulischen Gebrauch auch taug-
lichen Quellen eine bestimmte Auswahl getroffen. Sie hätten sich hierbei von pädago-
gischen und didaktischen Kriterien leiten lassen: die Fälle müßten knapp und in ihrem
juristischen Gehalt leicht verständlich sein; außerdem seien Texte bevorzugt worden,
die sich durch eine gewisse Farbigkeit und Lebensnähe auszeichneten und sich mit
auch heutzutage noch relevanten Problemen befaßten, so daß sie geeignet seien, das
Interesse der Schüler zu wecken. Das Gericht stellte weiterhin fest, daß auch die An-
ordnung der in den ,,Fällen" vereinigten Texte dem Kriterium 'persönliche geistige
Schöpfung' genüge: während die Auswahl vornehmlich nach didaktischen Gesichts-
punkten getroffen worden sei, suche die Anordnung das juristische System zu verdeut-
lichen. Denn die ,,Fälle" begännen mit den Quellen des römischen Rechts sowie mit
prozessualen Fragen; erst dann folge das materielle Recht, angeordnet nach eigenen
Kriterien.
Das Gericht bejahte ebenfalls, daß die ,,Fälle" in einem nicht mehr zulässigen Maße
benutzt worden seien. X habe nicht nur einige wenige, sondern insgesamt 43 von den
63 Texten der ,,Fälle" übernommen, hiervon 37 vollständig und sechs weitere zum
überwiegenden Teil; er habe somit etwa die Flälfte seiner Texte von FL entlehnt. Eine
Kongruenz in diesem Umfange sei nicht mehr durch Zufall erklärbar; für Übernahme
spreche auch, daß sich im Werk des X die Textgestaltung (Emendationen, Kürzungen,
Zeichensetzung) der,,Fälle" wiederfände. Auch hinsichtlich der Anordnung habe sich
X von den ,,Fällen" leiten lassen; so seien z.B. in den Kapiteln ,,Sachentziehung (fur-

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