Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale

DOI Heft:
Kleinere Beiträge und Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25449#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kleinere Beiträge und Besprechungen.


Die Kunst des Mittelalters in Böhmen.
DieallgemeinenLandesverhältnisseinBezug
auf C u 11 u r- und Kunstgeschichte.
Böhmen ist ein abgerundetes und nach allen Seiten
hin durch Gebirge abgeschlossenes Land, dessen Gren-
zen, weil von der Natur vorgezeichnet, seit ältester
Zeit nur geringe Änderungen erfahren haben. Der Süden
und Westen wird durch den Böhmerwald, die nord-
westliche Ecke durch das Fichtelgebirge, der Norden
durch das Erz- und Biesengebirge und die Ostseite
durch die Ausläufer der Sudeten und den mährischen
Höhenzug eingerahmt. Das zwischenliegende Land,
obgleich als Hochplateau bezeichnet, bildet keine Ebene,
sondern wird von verschiedenen Bergreihen durch-
zogen, von denen das im Berührungswinkel des Erz-
und Lausitzer Gebirges sich erhebende, aus vielen
Kuppen bestehende Mittelgebirge das bedeutendste ist.
Das ganze Land gehört beinahe ausschliesslich dem
vereinigten Stromgebiete der Moldau und Elbe an;
letzterer Fluss entspringt im Riesengebirge jenseits der
nordöstlichen Landesgrenze, der andere im entgegen-
gesetzten Südwesten. Beide Flüsse nehmen ihren Lauf
anfänglich in südlicher Richtung, bis die Elbe bei Par-
dubic, die Moldau bei Hohenfurt gegen Norden umlen-
ken und diesen Lauf beibehaltend sich so ziemlich in
der Mitte des Landes treffen.
Die sämmtlichen Hauptgebirge bestehen aus Gneiss
und Granit, und es nimmt dieses Terrain nahezu die
Hälfte dergesammten Bodenfläche ein, welcherümstand
auf die Ausbildung der architektonischen Formen einen
hemmenden Einfluss übte. Das mittlere Tafelland gehört
zum grossen Theile der Kreide-Formation an, ist äusserst
fruchtbar und besitzt Überfluss an trefflichen Bau-Mate-
rialien. Die über die Grenzgebirge führenden Pässe
waren schon im hohen Alterthume bekannt, doch schei-
nen diese Gebirge mit ihren undurchdringlichen Wal-
dungen nicht allein die frühzeitige Wohnbarmachung
des Landes verhindert, sondern auch die Fortschritte
der Cultur lange aufgehalten zu haben.
Die Bojen oder Bojer, welche als die ersten ge-
schichtlich nachweisbaren Einwohner Böhmens genannt
werden und die dem Lande den Namen verliehen haben,
waren ein Zweig jener grossen Volker-Familie, die
XVI.

sich zwischen dem IV. und V. Jahrhundert v. Ch. über
das südöstliche Deutschland ausgebreitet und auch
Böhmen in Besitz genommen hatte. Ob der Mehrheit
nach keltischen oder germanischen Ursprunges mag
hier unerörtert bleiben; schwerlich waren die Bojer
ein einheitliches Volk, sondern bestanden aus verschie-
denen Stämmen, nachdem sie vor der Ankunft in Böhmen
schon mehrmals die Wohnsitze gewechselt hatten *.
Die Nachrichten über die bojische Niederlassung sind
äusserst dürftig und nebelhaft; das Volk soll eine Stadt
„Bubienum oder Bojodunum“ gegründet, Ackerbau ge-
trieben und auch die Bearbeitung der Metalle gekannt
haben. Ein Denkmal künstlerischer Thätigkeit jedoch,
das den Bojern mit Sicherheit zugeschrieben werden
könnte, haben sie nicht hinterlassen.
Kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung drangen
die Markomannen aus den Maingegenden nach Böhmen
vor und nöthigten die Bojer zum Abzüge, wobei die
Zurückbleibenden unter den neuen Bewohnern auf-
gingen. Diese, die Markomannen oder Markmänner,
waren ebenfalls keine eigentliche Nation, sondern eine
Verbrüderung mehrerer Völkerschaften, bei welchen
die germanischen Sueven das Übergewicht hatten.
Ungleich zahlreicher als die Bojer breiteten sich die
Markomannen über Böhmen und Mähren aus, und ver-
einigten sich unter ihrem Könige Marb.od zu einem
achtunggebietenden Reiche, als dessen Hauptstadt
Morobudum (Marbodstadt) genannt wird. In ununterbro-
chene Kämpfe bald mit den Römern, bald mit den nach-
barlichen Cheruskern verwickelt, konnten die nur dem
Kriege und der Jagd lebenden Markomänner keinen
wesentlich höhern Culturgrad erringen, als schon die
Bojer inne hatten. Doch sollen sie neben Marobudum
noch mehrere Orte angelegt haben, was durch die vielen
Reste von Wallburgen, welche sich über Böhmen hin-
ziehen, bestätigt wird. Nachdem die Markomannen ihr
Gebiet bis über die Donau ausgedehnt und wiederholte
Einfälle in die römischen Provinzen versucht hatten,
1 Über die Abstammung der Bojer sind unendlich viele Untersuchungen
angestellt -worden, da nicht allein das Böhmerland sondern auch Bayern, das
alte Bojuvarien, von diesem Volke den Namen erhalten haben. So weit die
Ansichten immer auseinandergehen, hat man allmälig doch zwei Punkte als
sichergestellt anerkannt; nämlich einerseits die im V. Jahrh. v. Ch. erfolgte
Einwanderung gallischer Stämme nach dem südöstlichen Deutschland und ander-
seits das Vorwalten germanischer Elemente bei dieser Colonisirung, da überall,
wo die alten Bojer sich niedergelassen haben, heute noch der bayerische Dia-
lekt gesprochen wird.

a
 
Annotationen