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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Bearb.]
Stauferreich im Wandel: Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas — Mittelalter-Forschungen, Band 9: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Scholz, Sebastian: Symbolik und Zeremoniell bei den Päpsten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34723#0140

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Sebastian Scholz

vor ihm niederkniete, ihm die Füße küßte und dann den Friedenskuß mit ihm
tauschen wollte. Fußfall, Fußkuß und Friedenskuß waren, wie noch ausführlicher
zu zeigen sein wird, im 12. Jahrhundert übliche Bestandteile beim zeremoniellen
Empfang des Papstes durch einen König oder Kaiser3. Doch den Friedenskuß, das
in allen Lebensbereichen deutlichste Zeichen der Versöhnung und der Bereit-
schaft, mit dem anderen eine konfliktfreie Beziehung einzugehen, verwehrte der
Papst4. Die Verweigerung des Friedenskusses war ein öffentliches Signal, daß die
gerade erst zwischen Papst und Kaiser hergestellte Eintracht dahin war. Laut Kar-
dinal Boso soll Hadrian IV. seine Weigerung gegenüber Friedrich mit folgenden
Worten begründet haben: »Weil du mir jene gewohnte und geschuldete Ehre ent-
zogen hast, die deine Vorgänger, die rechtgläubigen Kaiser, meinen Vorgängern
aus Ehrfurcht vor den Aposteln Petrus und Paulus bis zu dieser Zeit erwiesen ha-
ben, werde ich dir nicht Genüge tun und dich nicht zum Friedenskuß anneh-
men«. Der König habe darauf geantwortet, er dürfe dies, also den Stratordienst,
nicht vollziehen5.
Der Quellenwert der Aufzeichnungen Bosos zu diesem Ereignis ist umstrit-
ten. Henry Simonsfeld gab dem Bericht des Albinus den Vorzug6, während sich
Robert Holtzmann für den Vorrang Bosos aussprach7. Beide Quellen weichen in
verschiedenen Details voneinander ab, die hier nicht zu interessieren brauchen.
Aber auch bei der Beschreibung des Zeremoniells gibt es einen wichtigen Unter-

3 Vgl. unten bei Anm. 47 ff.; diese Gesten sind aus dem römischen Kaiserzeremoniell übernommen
worden, worauf hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann; vgl. dazu Holtzmann, Der
Kaiser als Marschall (wie Anm. 2), S. 43; Eichmann (wie Anm. 2), S.16-20; Holtzmann, Zum
Strator- und Marschalldienst (wie Anm. 2), S. 326; A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation
im römischen Kaiserreiche, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Rom. Ab-
teilung, 49, 1934, S. 3-118 und 50, 1935, S. 3-158, als Abhandlung erschienen Darmstadt 1970; O.
Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremo-
niell, Jena 1938; R. Guilland, Recherches sur les institutions Byzantines I (Berliner Byzantinische
Arbeiten 35), Berlin 1967, bes. S. 144-150, 478 f.; zur Einordnung der älteren Forschung vgl. jetzt
E. Herrmann-Otto, Der Kaiser und die Gesellschaft des spätrömischen Reiches im Spiegel des
Zeremoniells, in: Imperium Romanum. Festschrift für Karl Christ zum 75. Geburtstag, hg. von
R Kneissl/V. Losemann, Stuttgart 1998, S. 346-369, bes. 346-351 und 356, Anm. 22.
4 K. Schreiner, »Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes« (Osculetur me osculo oris sui, Cant
1,1). Metaphorik, kommunikative und herrschaftliche Funktionen einer symbolischen Hand-
lung, in: Höfische Repräsentation. Das Zeremoniell und die Zeichen, hg. von H. Ragotzky/H.
Wenzel, Tübingen 1990, S. 89-132, hier 113-118; K. Schreiner, »Gerechtigkeit und Frieden ha-
ben sich geküßt« (Ps. 84,11). Friedensstiftung durch symbolisches Handeln, in: Träger und Instru-
mentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. von J. Fried (Vorträge und For-
schungen 43), Sigmaringen 1996, S. 37-86, bes. 43f. und 49-56.
5 Liber Pontificalis II (wie Anm. 1), S. 391: Tune rex ad eius vestigia procidit, et deosculatis pedibus ad
pacis osculum accedere voluit. Cui protinus idem pontifex locutus est in hec verba: »Quandoquidem tu il-
lum michi consuetum ac debitum honorem subtraxisti quem predecessores tui orthodoxi imperatores pro
apostolorum Petri et Pauli reverentia predecessoribus meis Romanis pontificibus exhibere usque ad hec
tempora consueverunt, donec michi satisfacias ego te ad pacis osculum non recipiam«. Rex autem respondit
et dixit se hocfacere non debere.
6 Simonsfeld (wie Anm. 2), S. 680 f.; vgl. Liber Censuum I (wie Anm. 2), Nr. 142 mit den Varianten
der Albinusrezension.
7 Holtzmann, Der Kaiser als Marschall (wie Anm. 2), S. 44-49; vgl. dazu auch O. Engels, Kardi-
nal Boso als Geschichtsschreiber, in: Konzil und Papst. Festschrift für H. Tüchle, hg. von. G.
Schwaiger, München/Paderbom/Wien 1975, S. 147—168, hier 157 f.; Neudruck in: O. Engels,
Stauferstudien, Sigmaringen 21996, S. 213 f.
 
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