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Weinfurter, Stefan [Oth.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Stauferreich im Wandel: Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas — Mittelalter-Forschungen, Band 9: Stuttgart, 2002

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Scholz, Sebastian: Symbolik und Zeremoniell bei den Päpsten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34723#0141

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Symbolik und Zeremoniell bei den Päpsten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts 133

schied. Zwar berichten beide Quellen übereinstimmend von Friedrichs Weige-
rung, den Stratordienst zu leisten, sowie von der Weigerung des Papstes, den
Friedenskuß zu tauschen8, aber Boso berichtet auch von dem Fußfall Friedrichs
und seinem Fußkuß. Diese Gesten werden in dem sehr viel knapperen Bericht
des Albinus nicht erwähnt, vielleicht, weil sie keine Auswirkung auf das Gesamt-
geschehen hatten und somit nicht wichtig erschienen. Albinus gibt nämlich keine
genaue Schilderung des Moments, in dem der Papst den Friedenskuß verwei-
gerte, sondern er notiert nur die Weigerung als solche. Bei Boso sind der Fußfall
und der Fußkuß zwei von vielen Details des Gesamtgeschehens, die sich zwang-
los in den Flandlungsablauf einfügen. Eine Erfindung der Szene ist deshalb wenig
wahrscheinlich, zumal sie auch bei Boso ohne Konsequenzen bleibt. Der einzige
Grund für ihre Erfindung könnte darin gelegen haben, die Friedfertigkeit des Kö-
nigs zu demonstrieren, um damit die zuvor geschilderte Flucht der Kardinäle in
noch grelleres Licht zu tauchen. Barbarossa als friedliebend darzustellen, wider-
spräche allerdings der Gesamttendenz der Papstviten Bosos9. Nimmt man den
Bericht Bosos in diesem Punkt also ernst, so erscheint die Begegnung bei Sutri in
einem anderen Licht. Das Niederknien und der Fußkuß belegen, daß Barbarossa
dem Papst keineswegs seine Ehrerbietung vorenthalten wollte.
Bereits in fränkischer Zeit ist der Fußkuß als Geste der Ehrerbietung nach-
weisbar. Im Jahre 800 berief der junge König Ludwig - der spätere Ludwig der
Fromme - eine Versammlung im Lager der Franken vor Barcelona ein und hielt
dabei eine Rede. Herzog Wilhelm von Toulouse küßte Ludwig als Zeichen der
Ehrerbietung die Füße, bevor er ihm antwortete10. Der Fußkuß ist aber auch als
Brauch zur Bekräftigung eines Vertrages* 11 oder als Zeichen der Unterwerfung be-
legt. Nach dem Sieg Barbarossas über Mailand empfing der Kaiser am 4. März
1162 in Lodi 300 Mailänder Ritter, die ihm die Füße küßten12. Der Fußkuß war
also je nach der Situation und der ihn leistenden Person in verschiedener Weise
deutbar13, ebenso wie der Stratordienst, der sowohl von Vasallen ihrem Lehns-

8 Helmold von Bosau, Cronica Slavorum 1, 81 (wie Anm. 2), S. 152-154, gibt eine völlig andere
Version vom Streit über den Stratordienst, berichtet aber ebenfalls von der Verweigerung des
Friedenskusses, vgl. dazu Holtzmann, Der Kaiser als Marschall (wie Anm. 2), S. 44 f.
9 Vgl. dazu Engels (wie Anm. 7), S. 156-164, bes. 162f., ND 212-220, bes. S. 218 f.
10 Ermoldus Niger, Carmen in honorem Hludowici I, ed. E. Faral (Les Classiques de l'Histoire de
France au Moyen Age 14), Paris 1932, S. 18: Duxque Tolosana fatur Wilhelmus ab urbe, / poplite fle-
xato lambitat ore pedes; vgl. dazu W. Kienast, Gefolgswesen und Patrocinium im spanischen
Westgotenreich, in: Historische Zeitschrift 239,1984, S. 23-75, hier 75, Anm. 175.
11 Kienast, Gefolgswesen (wie Anm. 10), S. 74 und Ders., Die fränkische Vasallität. Von den Haus-
meiern bis zu Ludwig dem Kind und Karl dem Einfältigen (Frankfurter Wissenschaftliche Bei-
träge. Kulturwissenschaftliche Reihe 18), hg. von P. Herde, Frankfurt 1990, S. 111.
12 Acerbus Morena, Libellus de rebus Frederico imperatore gestis, ed. F.-J. Schmale, Italische
Quellen über die Taten Kaiser Friedrichs I. in Italien und der Brief über den Kreuzzug Kaiser
Friedrichs I., Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 17a, Darmstadt 1986, S. 174; vgl. dazu
auch Schreiner, Gerechtigkeit und Frieden (wie Anm. 4), S. 69 f.; G. Althoff, Das Privileg der
Deditio. Formen gütlicher Konfliktbewältigung in der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Ders.,
Spielregeln der Politik im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 99-125, hier 103-105.
13 Als Zeichen der Huldigung des Lehnsmannes ist der Fußkuß nur schlecht belegt. Allgemein
wird der Kuß Tassilos auf die Knie Karls des Großen in diesem Sinne interpretiert, doch könnte
der Kuß in diesem Zusammenhang auch als Zeichen der Ehrerbietung Tassilos für das von Karl
empfangene Geschenk gedeutet werden, vgl. Hiberni exulis carmina II, ed. E. Dümmler, MGH
 
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