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Huth, Volkhard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Staufische "Reichshistoriographie" und scholastische Intellektualität: das elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überlieferung und universalem Horizont — Mittelalter-Forschungen, Band 14: Ostfildern, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.34728#0281

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Zusammenschau: Ergebnisse und Perspektiven

265

sophie«^''. Und es setzt ebenso den paradigmatischen Akzent, daß er sich die
Textgrundlage in Konstantinopel selbst besorgte"/ Zugleich kristallisiert sich
darin wie überhaupt im literarischen Schaffen Hugos und seinem missiona-
risch-polemischen Wirken für die erkenntnistheoretischen Ambitionen der
Porretaner wiederum die Rolle der Persönlichkeit, des individuellen Tempe-
raments aus, das durch seine Begeisterung Anhänger, Schüler und Freunde
mitzureißen vermag - ein ganz grundsätzlicher, unabdingbarer und unver-
wechselbarer Zug im Geistesleben der europäischen Frühscholastik.
Deren Facetten sind jedoch reicher, als die Konzentration auf ihre Domä-
nen, also Theologie und Philosophie, vergegenwärtigen kann. Angesprochen
ist damit der >Sitz im Lebern: Gleich dem enzyklopädisch daherkommenden
Belehrungsanspruch des deutsch verfaßten >Lucidarius<, der sich stellenweise
an den Marbacher >Consuetudines< orientiert, scheint er seinen Platz in der
Predigttradition der Augustinerchorherren zu haben, jedenfalls, soweit sie
sich für den >Ordo antiquus< entschieden hatten"/ Diese Seelsorgetradition
war es auch hauptsächlich, die weitsichtige Bischöfe in den vierziger und
fünfziger Jahren des 12. Jahrhunderts die Kanonikerreform nachhaltig unter-
stützen ließ, keineswegs allein im Bereich der Salzburger Reform, die gewiß
auf die Nachbardiözesen abstrahlte und sich dortigen Reformbemühungen
(etwa in der Diözese Passau) verband. Im Falle Ottos von Freising könnte,
wie schon angedeutet, dieser Aspekt den Kontakt mit Marbach hergestellt
haben.
Man ist versucht, vor dem Hintergrund der literarischen Strömungen des
frischen Windes, wie er das Geistesleben Frankreichs in den Umbrüchen des
12. Jahrhunderts durchzog und gewiß ein charakteristisches Komplement des
neuen moralischen Klimas darstellte, auch die kulturelle Situation Marbachs
um 1170/80 zu charakterisieren. Unmittelbar zu greifen ist sie jedenfalls in
der Koinzidenz von vitalen Regungen scholastischer Intellektualität, die sich
im Wirken Hugos von Honau respektive in den Dialektiken des >Marbacher
Schulbuches< (Nürnberg, GNM, Hs. 27773) ausdrücken, und den »frühhöfi-
schen« Komponenten einer rational gezähmten Frömmigkeit, die sich den
gesellschaftlichen Manifestationen säkularer Gruppenmoral nicht verschließt.
Dafür steht, bei allen appellativen Zügen und der Grundüberzeugung von

881 HEIDEGGER, Vom Wesen und Begriff der chücnq, S. 242. Die zitierte Stelle hat Heidegger
gesperrt setzen lassen.
882 Zum sachlichen Parallelfall, dem Umgang mit der galenischen Schrift >De elementis< durch
Hugo von Honau, vgl. oben bei Anm. 813. - Ein im engeren Sinne medizinisches Fachinter-
esse wird man Marbach/Schwarzenthann nicht nur wegen beider Spitäler, sondern auch
aufgrund der hygienisch-diätetischen Abbildungen im Kalenderteil des >Liber vitae< zubilli-
gen dürfen; vgl. die Hinweise bei WEIS, Nekrologien, S. 53 Anm. 8. Zu dem an einem 2. Ok-
tober verstorbenen Priester Rodol/Ms ist eigens angemerkt worden, daß er auch ??ie&'cMS war.
883 Zu beachten sind die Anm. 478 erwähnten Hinweise auf gemeinsame Vorlagen bzw. signifi-
kante terminologische Übereinstimmungen des >Hortus deliciarurm, des >Summarium
Heinrich, des deutschen >Eucidarius< sowie des von dem Priester und Pollinger Augusti-
nerchorherren Konrad verfaßten Predigtbuches.
 
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