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Huth, Volkhard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Staufische "Reichshistoriographie" und scholastische Intellektualität: das elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überlieferung und universalem Horizont — Mittelalter-Forschungen, Band 14: Ostfildern, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.34728#0282

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Zusammenschau: Ergebnisse und Perspektiven

der ethischen Überlegenheit des Regularklerus, doch auch die »Hofzucht« des
>Heimlichen BotendA
Am sinnfälligsten scheint sich das hier in seinen verschiedenen Ausfaltun-
gen erörterte Verhältnis von staufischer, das heißt: auf den staufischen
Kaiserhof zielender Historiographie und scholastischer Intellektualität aber in
prägnanter Bildsprache zu verdichten: in der Kaiserminiatur der Freiburger
Handschrift 367'* A die sich nicht als Illustration des Textes entschlüsseln läßt.
Ihre Plazierung im Codex bekundete Dank und Verehrung^". Nicht in wort-
reicher Diktion, aber in ihrer assoziativen Verknüpfung von Herrschernähe
und frühscholastischer Theologie, hier im Blick auf die in ihrer Deutung heiß
umkämpften >Opuscula Sacra< des Boethius samt beigefügter Kommentie-
rung durch den in Marbach hochverehrten Gilbert von Poitiers. Erst so er-
schließt sich die Kaiserminiatur im Überlieferungskontext und versteht sich
der tiefere Sinn ihres Initiencharakters. Der rotblonde Kaiser als Schutzherr
einer leidenschaftlichen »Denkeravantgarde«^ : Diese Konfiguration mag eine
Ahnung davon vermitteln, welche Wege sich das >neue Wissern in den Um-
wälzungen des 12. Jahrhunderts gerade am Barbarossa-Hof zu bahnen ver-
mochte.
Sie werden über ihre Einfallsrichtungen wie Kreuzungen weiter zu verfol-
gen sein. Wer sich anschickt, die Wegstationen abzugehen, wird dabei die
historiographischen Entwürfe des 12./13. Jahrhunderts nicht ausnehmen
können, muß sich zur adäquaten Einschätzung der Autoren wie der an Auf-
nahme und Verbreitung der Werke beteiligten Personen und Gruppen ge-
nauestem auf die Beschaffenheiten ihres jeweiligen intellektuellen Klimas
einlassen. Personenbezogen ist nach geistigen Physiognomien, im Blick auf
Gruppen - etwa: Klöster - und Institutionen - etwa: den Höfen - nach geisti-
gen Aggregatzuständen fragen, die sich in vielfältiger Weise dingfest machen
lassen, ohne daß die Einzelstimme zu identifizieren wäre oder auch nur im-
mer identifiziert werden müßte. Dazu sind neben prosopographischen For-
schungen, wie die hier angestellten Studien zu zeigen versuchten, bibliotheks-
und überlieferungsgeschichtliche Untersuchungen unabdingbar. Vor allem
die Gestalt der einzelnen Überlieferungsträger, die Bebilderung und Glossie-
rung von Handschriften, vergegenwärtigt den Diskurscharakter und klärt die
Wirkbezüge.
Grundsätzlich laufen solche Untersuchungen für das 12. Jahrhundert un-
abhängig von einzelnen Diskurszusammenhängen wohl immer auf die Frage
hinaus, wo und wie die in den Blick genommenen Personen oder Gemein-
schaften im epochalen Aufeinanderprallen von >Traditionalisten< und >Mo-
dernistem ihren Platz einnahmen oder in unterschiedlichen zeitgenössischen

884 Vgl. oben bei Anm. 614ff.
885 S. oben Anm. 669.
886 Vgl. oben S. 204.
887 Diesen Ausdruck entlehne ich von STURLESE, Die deutsche Philosophie, S. 145, der damit die
deutschen >Porretaner< kennzeichnet. Vgl. oben bei Anm. 718.
 
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