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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Rogge, Jörg [Bearb.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Nolte, Cordula,: der leib der hochst schatz – Zu fürstlicher Körperlichkeit, Gesunderhaltung und Lebenssicherung (1450-1550). Familien- und alltagsgeschichtliche Perspektiven
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0063

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Zu fürstlicher Körperlichkeit, Gesunderhaltung und Lebenssicherung

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weiteres Tätigkeitsfeld zu.66 Generell war es üblich, den eigenen Leibarzt, wenn man
ihn augenblicklich entbehren konnte, auf Bitten an andere Höfe, vor allem zu kranken
Verwandten, abzukommandieren. Gerade renommierte Ärzte hatten sich im fürstli-
chen Dienst auf hohe Mobilität einzustellen, da sie nicht nur ihren Herrn begleiten,
sondern auch Reisen in seinem Auftrag unternehmen mußten. Markgraf Friedrich
von Brandenburg-Ansbach etwa überließ 1495 seinen Leibarzt Dr. Johann Kifer eine
Zeitlang seinem Bruder, Kurfürst Johann von Brandenburg67, und der kursächsische
Leibarzt Dr. Hildebrand war in der wettinischen Verwandtschaft so gefragt, daß er
manchmal kaum rasch genug zwischen den Höfen hin- und herwechseln konnte.68
Bei den Markgrafen war der Leibarzt sowohl für den Fürsten persönlich als
auch für dessen Familie (in der Regel Ehefrau und Kinder, manchmal auch seine
Mutter und Geschwister, sofern sie am Hof mitlebten) zuständig, ferner für das Hof-
gesinde, das ihn für seine Leistungen allerdings meistens selbst entlohnen mußte.69
Über seine Verpflichtungen hieß es einschränkend, er dürfe vber kein pestilentzisch
mensch oder morbum contagiosum geen, das heißt wohl, daß er im Interesse seiner fürst-
lichen Patienten davon abstehen sollte, Seuchenkranke zu behandeln. Die Ärzte, die
etwa Kurfürst Johann von Brandenburg für sich persönlich einstellte, ohne sie zur
Behandlung seiner Familie und des Hofgesindes heranzuziehen, trugen bezeichnen-
derweise nicht den Titel eines Leibarztes.70 Möglicherweise handelte es sich um Spe-
zialisten, die den Kurfürsten von seiner Wassersucht kurieren sollten.'1

Daneben 1506 Bestallung Dr. Albrecht Rademanns zum Rat und Leibarzt. Ebd., Nr. 152, S. 179.
Bestallung Dr. Friedrich Poppens zum Leibarzt auf sechs Jahre durch Kurfürst Joachim, 26. Mai
1517. Ebd., Nr. 225, S. 263. - Vgl. demgegenüber als Beispiele für Bestallungen zum Leibarzt
»von Haus aus« ebd., Nr. 183, S. 212f., Nr. 219, S. 258.
66 Vgl. Streich, Reiseherrschaft (wie Anm. 61), S. 452, zur Bestallung Dr. Hildebrands durch Kur-
fürst Friedrich II. von Sachsen 1462. Ebd., 453, zur gleichzeitigen Tätigkeit eines Leibarztes für
zwei Fürsten, Herzog Wilhelm von Thüringen und Pfalzgraf Otto bei Rhein.
67 Dankschreiben des Kurfürsten an seinen Bruder vom 10. Mai 1495. GStAB, BPH, Rep. 28 J 4a,
Bl. 2.1501 quittierte Dr. Kifer den fürstlichen Dienst, weil ihm das Unterwegssein mit dem Hof
beschwerlich wurde, und wurde in Rothenburg zum Stadtarzt berufen. Er wurde jedoch wei-
terhin von der markgräflichen Familie konsultiert und später erneut zum Leibarzt bestallt.
Krauss, Leibärzte (wie Anm. 64), S. 3.
68 Vgl. zu Dr. Hildebrands Aussendungen Steinhausen, Privatbriefe (wie Anm. 49), Nr. 226, 229,
230, S. 158ff. Für die Ausleihpraxis gibt es zahllose weitere Beispiele. An der Beinamputation Kai-
ser Friedrichs III. 1493 waren etliche Ärzte beteiligt, die von anderen Fürstenhöfen geschickt wor-
den waren. Paul-Joachim Heinig, Musik und Medizin am Hof Kaiser Friedrichs III. Studien zum
Personal der deutschen Herrscher im 15. Jahrhundert, in: ZHF 16,1989, S. 151-181, hier S. 176.
69 Vgl. die in Anm. 65 genannten Bestallungen. Ähnlich berief auch Herzog Albrecht von Preußen
1523 seinen Leibarzt mit der Verpflichtung, auch die Herzogin, die Kinder vnnd wen wir Ime
zuordnen und vnthergeben zu behandeln. Scholz, Ärzte (wie Anm. 52), S. 51. Der 1481 bestallte
Leibarzt Herzog Wilhelms von Thüringen war gleichermaßen für die Behandlung der Herzogin
zuständig. Streich, Reiseherrschaft (wie Anm. 61), S. 453, Anm. 184. Zur Mitbehandlung der
Herzogin und ihrer Kinder am burgundischen Hof Kintzinger, Phisicien (wie Anm. 61),
S. lOOf. Die Leibärzte Eberhards im Bart wurden für den Grafen, seine Frau und seine Erben
bestellt. Eberhards Frau, Barbara Gonzaga, brachte zudem aus Mantua ihren Leibarzt mit. Zit-
ter, Leibärzte (wie Anm. 61), S. 19ff.
70 Sie wurden auch nicht als Räte berufen. Vgl. zu Meister Hans Oppeln (1486 als Wundarzt und
Diener auf genommen) und zu Konrad Diell, der nach Johanns Tod 1499 den Dienst quittierte,
CDB C 2 (wie Anm. 24), Nr. 262, S. 331, Nr. 344, S. 428.
71 Ahrens, Residenz (wie Anm. 61), S. 177.
 
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