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Rogge, Jörg [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Puppel, Pauline,: Der Kampf um die vormundschaftliche Regentschaft zwischen Landgräfinwitwe Anna von Hessen und der hessischen Ritterschaft 1509/14-1518
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0254

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PAULINE PUPPEL

Der Kampf um die
vormundschaftliche Regentschaft
zwischen Landgräfinwitwe Anna von Hessen
und der hessischen Ritterschaft 1509/14-1518*
i.
»Je wilder der Sturm von außen tobte, sei es im Kampf der Waffen oder im zorner-
hitzten Streite um Lehrmeinungen und Glaubenssatzung, um so mehr sah sie sich
vom öffentlichen Leben zurückgedrängt auf die ruhigen Gemache ihres Hofes, in
die Kreise ihrer häuslichen Umgebungen, in das Stillleben ihrer fürstlichen Beschäf-
tigungen.«1 Mit diesen Worten beschrieb der preußische Historiker Johannes Voigt
(1786-1863) das Leben einer deutschen Fürstin im Reformationszeitalter. Hochade-
lige Frauen, deren Lebenswandel mit dem im 19. Jahrhundert entwickelten Poli-
tikbegriff und dem damit verknüpften Bild der »fürstlichen Hausmutter« nicht kon-
form gingen, werden in der Forschung nach wie vor zu Ausnahmefrauen stilisiert.
Obwohl sehr gute Untersuchungen zu einzelnen Königinnen und Kaiserinnen und
zahlreiche landesgeschichtliche Darstellungen über weltliche und geistliche Fürs-
tinnen und Gräfinnen vorliegen, werden diese Herrscherinnen als Ausnahmefälle
betrachtet.2 Weder ihre politische Rolle noch ihre unterschiedlichen dynastischen
Funktionen werden ausreichend thematisiert. Da Frauen bis heute jegliche Poli-
tikfähigkeit abgesprochen wird, gilt die Herrschaftsausübung von Fürstinnen als
Besonderheit.3 Nach wie vor ist die Annahme verbreitet, dass Frauen »als politisch

* Bei vorliegendem Beitrag handelt es sich um die erweiterte Fassung des Vortrags. Ich danke
Heide Wunder (Kassel) und Bettina Elpers (Neu-Ansbach), die mit mir die Thesen und Ergeb-
nisse meiner Untersuchung diskutiert und mir zahlreiche Anregungen gegeben haben.
1 Johannes Voigt, Hofleben und Hofsitten der Fürstinnen im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für
Geschichtswissenschaft 1, 1844, S. 62-80 und 2, 1844, S. 220-265, hier S. 63; vgl. zur Person K.
Lohmeyer: Art. Voigt, Johannes, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 40, Leipzig 1896,
S. 205-210; zu den Tätigkeitsfeldern der Fürstin Katrin Keller, Kurfürstin Anna von Sachsen
(1532-1585). Von Möglichkeiten und Grenzen einer »Landesmutter«, in: Das Frauenzimmer.
Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, 6. Symposium der Residenzen-Kom-
mission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel/Werner
Paravicini (Residenzenforschung, 11), Stuttgart 2000, S. 263-285.
2 Vgl. Martin Kintzinger, Die zwei Frauen des Königs. Zum politischen Handlungsspielraum
von Fürstinnen im europäischen Spätmittelalter, in: Das Frauenzimmer (wie Anm. 1), S. 377-
398, hier S. 382, S. 397; Jörg Rogge, Familienorganisation und Konfliktregelung im fürstlichen
Hochadel, Protokoll der 239. Sitzung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche
Geschichte, Sektion Hessen, Marburg 1999, S. 1-9, hier S. 7.
3 Vgl. z. B. Voigt, Hofleben (wie Anm. 1), S. 232f; Wolfang Reinhard, Geschichte der Staatsge-
walt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart,
 
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