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Rogge, Jörg [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Puppel, Pauline,: Der Kampf um die vormundschaftliche Regentschaft zwischen Landgräfinwitwe Anna von Hessen und der hessischen Ritterschaft 1509/14-1518
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0255

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Pauline Puppel

Handelnde in der Regel nicht vorkamen«4 und Regentinnen sich dieser als Nische
relativierte Handlungsspielraum nur aufgrund zufälliger tagespoltischer Konstella-
tionen eröffnet habe.3 Insbesondere von der landesgeschichtlichen Forschung wer-
den Fürstinnen, die anstelle ihrer minderjährigen Söhne regierten, als »starke Per-
sönlichkeiten« mit den entsprechenden Charaktereigenschaften dargestellt. Land-
gräfin Anna von Hessen wird bis heute als »sehr impulsive Person, die sich nicht als
Frau entmündigen und bevormunden lassen wollte,«6 beschrieben.
Die Regelhaftigkeit, die das Rechtsinstitut der vormundschaftlichen Regent-
schaft in der Frühen Neuzeit kennzeichnet, und die Regelmäßigkeit, mit der die leib-
liche Mutter des Prinzen dessen Stellvertretung übernahm, sprechen jedoch für die
Annahme, dass hier für die fürstlichen Dynastien ein probates Instrument für die
Phase der Minderjährigkeit des Erbfolgers vorlag.7 Im folgenden wird die Auseinan-
dersetzung zwischen der verwitweten Landgräfin Anna von Hessen und den Land-
ständen um die vormundschaftliche Regentschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts
analysiert. Die Regierung nach dem vorzeitigen Tod des Landesherrn stellte eine Kri-
sensituation dar, wenn es dem Fürsten nicht gelungen war, für die Phase der Min-
derjährigkeit seines Nachfolgers eine von der Dynastie und den Ständen akzeptierte
Vorsorge zu treffen. Der Kampf um die vormundschaftliche Regentschaft in der
Landgrafschaft Hessen lässt sich im Rahmen der ständischen Verteilungskämpfe
verorten, die zwischen dem Adel und den Städten, insbesondere aber innerhalb der
Ritterschaft stattfanden.,s Ein Teil der Stände stand auf der Seite der Landgräfin, aber
der weitaus größere Teil wandte sich gegen sie und konnte darüber hinaus die Unter-
stützung der ernestinischen Sachsen für sich gewinnen.9 Im politischen Kontext
München 1999, S. 40; Kintzinger, Frauen (wie Anm. 2), S. 382, S. 397; Johannes Arndt, Mög-
lichkeiten und Grenzen weiblicher Selbstbehauptung gegenüber männlicher Dominanz im
Reichsgrafenstand des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirt-
schaftsgeschichte 77,1990, S. 153-174, hier S. 174.
4 Reinhard, Geschichte (wie Anm. 3), S. 40; vgl. zum klassischen Politik-Begriff Volker Sellin,
Art. Politik, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, hg. von Otto Brunner/Werner Conze/
Reinhard Koselleck, Stuttgart 1978, S. 789-874; Gisela Bock, Der Platz der Frauen in der
Geschichte, in: Methoden in der Frauenforschung, hg. von der Zentraleinrichtung zur Förde-
rung von Frauenstudien und Frauenforschung an der FU Berlin, Frankfurt a. M. 1984, S. 51-75.
5 Vgl. Barbara Lange, Artemisia als Leitbild, Zum herrschaftlichen Witwensitz beim Übergang
zum Absolutismus, in: Kritische Berichte 4; (1996, S. 61-72, hier S . 61; Arndt, Möglichkeiten
(wie Anm. 3), S. 168.
6 Günter Hollenberg, Art. Anna von Mecklenburg, Landgräfin zu Hessen, Gräfin zu Solms-
Laubach, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 2, hg. von Sabine Pettke, Rostock
1999, S. 18-23, hier S. 23.
7 Vgl. Arnim Wolf, Art. Regentschaft, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte,
Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 485M87; Adalbert Erler, Art. Vormundschaft, in: ebd., Bd. 5, Berlin
1995, Sp. 1050-1055; Pauline Puppel, Vormundschaftliche Regentschaften hochadeliger
Frauen - Die Landgräfinnen von Hessen 1500-1700 (Geschichte & Geschlechter, 43), Frank-
furt/M. 2004.
8 Vgl. Michael Mitterauer, Grundlagen politischer Berechtigung im mittelalterlichen Stände-
wesen, in: Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der ständischen Repräsen-
tation, hg. von Karl Bosl, Berlin 1977, S. 11-71; Hessische Landtagsabschiede, 1526-1603 (Ver-
öffentlichungen der Historischen Kommission Hessen, 48; Vorgeschichte und Geschichte des
Parlamentarismus in Hessen, 9), hg. von Günter Hollenberg, Marburg 1994, bes. S. 5-40.
9 Vgl. zum Klientelsystem Volker Press, Patronat und Klientel im Heiligen Römischen Reich, in:
Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, hg. von Antoni Maczak (Schriften des Histo-
rischen Kollegs, Kolloquien 9), München 1988, S. 19-46.
 
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