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Pauline Puppel
Verwaltung immer weiter aus und vereinheitlichten sie. 1500 erließ Wilhelm II. eine
Hofgerichtsordnung, an der keinerlei ständische Mitwirkung stattgefunden hatte;
sie ist deutlicher Ausdruck für die Ausbildung der landesherrlichen Gerichtsho-
heit.14 Der Landgraf vereinigte immer mehr Hoheitsrechte in seiner Hand und
drängte die Ansprüche des Adels auf ihre Privilegien und Rechte zurück.15
1504 erkrankte Wilhelm II. an der Syphilis; zwei Jahre später hatte sich sein
Zustand so sehr verschlechtert, dass er nicht mehr regierungsfähig war. Daher
bestellte er im August 1506 ein Kollegium aus adeligen Räten unter der Leitung sei-
nes Hofmeisters Konrad von Wallenstein16 zu Verwaltern des Landes. Im Januar
1508 entzog der Landgraf den Räten jedoch sämtliche Vollmachten wieder und
übertrug die Regierungsstellvertretung statt dessen seiner zweiten Gemahlin, Her-
zogin Anna von Mecklenburg.1' In der wenig später veröffentlichten Clage widder
sein rethe begründete er sein Vorgehen: Nicht nur sei er selbst während seiner Krank-
heit schmählich behandelt worden, vielmehr gebe besonders das Verhalten der Räte
Anlass zu schweren Vorwürfen. Der Landgraf beschuldigte sie, eigenmächtig und
in Missachtung seiner fürstlichen Obrigkeit gehandelt zu haben.18 Nach dem Sturz
Landstände von Jülich-Berg im 16. und 17. Jahrhundert (Bergische Forschungen, 17), Neustadt
an der Aisch 1982, S. 11 f.
14 Vgl. Karin Nehlsen-von Stryk, Die Justizpolitik der Landgrafen von Hessen im 14.-16. Jahr-
hundert. Ein Beitrag zur Entstehung des frühmodernen Territorialstaates, in: Überlieferung,
Bewahrung und Gestaltung in der rechtsgeschichtlichen Forschung, FS für Ekkehard Kauf-
mann zum 70. Geburtstag (Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-
Gesellschaft, N.F. 69), hg. von Stephan Buchholz/Paul Mikat/Dieter Werkmüller, Pader-
born/München/Wien 1993, S. 245-267, hier S. 258f; Karl E. Demandt, Geschichte des Landes
Hessen, ND der 2., neubearbeiteten und erweiterten Auflage, Kassel 1980, S. 216f.
15 Vgl. Dietmar Willoweit, Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterliehen Landes-
herrschaft, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Rei-
ches, hg. von Kurt G.A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von Unruh, Stuttgart 1983,
S. 66-143; Ders., Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, in: ebd.,
S. 289-346. John C. Stalnaker, Residenzstadt und Reformation. Rehgion, Pohtics and Social
Policy in Hesse, 1509-1546, in: Archiv für Reformationsgeschichte 64,1973, S. 113-146, hier S. 115f.
16 Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter. Ein »Staatshandbuch« Hessens
vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, 2 Bde, hg. von Karl E Demandt (Ver-
öffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 42), Marburg 1981, Nr. 3218.
17 Nach dem Tod seiner ersten Gemahlin, Jolanthe von Lothringen, hatte der Landgraf auf Drän-
gen der Stände erneut geheiratet. Vgl. Carl Knetsch, Von der Hochzeit des hessischen Land-
grafen Wilhelm des Mittleren zu Cassel am 20. Oktober 1500, in: Vierteljahrsschrift für Wappen,
Siegel- und Familienkunde 29,1901. S. 247-252. Die stellvertretende Regierung einer Fürstin für
den kranken oder aus dem Land abwesenden Landesherrn stellte in der Frühen Neuzeit nichts
Besonderes dar. Die vormundschaftliche Stellvertretung eines aufgrund einer Krankheit
Unmündigen war Frauen jedoch nach dem gemeinen Recht nicht gestattet; vgl. z. B. die Aus-
einandersetzung Herzogin Jacobes von Jülich, geb. Markgräfin von Baden, mit den Räten von
1592 bis 1595. Für diesen Hinweis danke ich Katrin Herbers M.A. (Münster). Oswald Feis, Die
Krankheit Wilhelms des Mittleren. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Lues, in: Janus, Archives
internationales pour l'histoire de la medecine et de la geographie medicale 41,1937, S. 75-87.
18 Zum Teil gedruckt in: Hessische Landtagsakten (wie Anm. 10), S. 13-20; vgl. die ältere For-
schungsmeinung differenziert widerlegend Cordula Nolte, Der kranke Fürst. Vergleichende
Beobachtungen zu Dynastie- und Herrschaftskrisen um 1500, ausgehend von den Landgrafen
von Hessen, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27,2000, S. 1-36, hier S. 17-34; zu den Aus-
einandersetzungen der Landgrafen mit mächtigen Adeligen und dem Sturz hessischer Hof-
meister vgl. Karl E. Demandt, Das hessische Hofgericht und die >großen Sachern (1500-1514),
in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 35,1935, S. 37-57, hier S. 38f., S. 44.
Pauline Puppel
Verwaltung immer weiter aus und vereinheitlichten sie. 1500 erließ Wilhelm II. eine
Hofgerichtsordnung, an der keinerlei ständische Mitwirkung stattgefunden hatte;
sie ist deutlicher Ausdruck für die Ausbildung der landesherrlichen Gerichtsho-
heit.14 Der Landgraf vereinigte immer mehr Hoheitsrechte in seiner Hand und
drängte die Ansprüche des Adels auf ihre Privilegien und Rechte zurück.15
1504 erkrankte Wilhelm II. an der Syphilis; zwei Jahre später hatte sich sein
Zustand so sehr verschlechtert, dass er nicht mehr regierungsfähig war. Daher
bestellte er im August 1506 ein Kollegium aus adeligen Räten unter der Leitung sei-
nes Hofmeisters Konrad von Wallenstein16 zu Verwaltern des Landes. Im Januar
1508 entzog der Landgraf den Räten jedoch sämtliche Vollmachten wieder und
übertrug die Regierungsstellvertretung statt dessen seiner zweiten Gemahlin, Her-
zogin Anna von Mecklenburg.1' In der wenig später veröffentlichten Clage widder
sein rethe begründete er sein Vorgehen: Nicht nur sei er selbst während seiner Krank-
heit schmählich behandelt worden, vielmehr gebe besonders das Verhalten der Räte
Anlass zu schweren Vorwürfen. Der Landgraf beschuldigte sie, eigenmächtig und
in Missachtung seiner fürstlichen Obrigkeit gehandelt zu haben.18 Nach dem Sturz
Landstände von Jülich-Berg im 16. und 17. Jahrhundert (Bergische Forschungen, 17), Neustadt
an der Aisch 1982, S. 11 f.
14 Vgl. Karin Nehlsen-von Stryk, Die Justizpolitik der Landgrafen von Hessen im 14.-16. Jahr-
hundert. Ein Beitrag zur Entstehung des frühmodernen Territorialstaates, in: Überlieferung,
Bewahrung und Gestaltung in der rechtsgeschichtlichen Forschung, FS für Ekkehard Kauf-
mann zum 70. Geburtstag (Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-
Gesellschaft, N.F. 69), hg. von Stephan Buchholz/Paul Mikat/Dieter Werkmüller, Pader-
born/München/Wien 1993, S. 245-267, hier S. 258f; Karl E. Demandt, Geschichte des Landes
Hessen, ND der 2., neubearbeiteten und erweiterten Auflage, Kassel 1980, S. 216f.
15 Vgl. Dietmar Willoweit, Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterliehen Landes-
herrschaft, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Rei-
ches, hg. von Kurt G.A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von Unruh, Stuttgart 1983,
S. 66-143; Ders., Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, in: ebd.,
S. 289-346. John C. Stalnaker, Residenzstadt und Reformation. Rehgion, Pohtics and Social
Policy in Hesse, 1509-1546, in: Archiv für Reformationsgeschichte 64,1973, S. 113-146, hier S. 115f.
16 Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter. Ein »Staatshandbuch« Hessens
vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, 2 Bde, hg. von Karl E Demandt (Ver-
öffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 42), Marburg 1981, Nr. 3218.
17 Nach dem Tod seiner ersten Gemahlin, Jolanthe von Lothringen, hatte der Landgraf auf Drän-
gen der Stände erneut geheiratet. Vgl. Carl Knetsch, Von der Hochzeit des hessischen Land-
grafen Wilhelm des Mittleren zu Cassel am 20. Oktober 1500, in: Vierteljahrsschrift für Wappen,
Siegel- und Familienkunde 29,1901. S. 247-252. Die stellvertretende Regierung einer Fürstin für
den kranken oder aus dem Land abwesenden Landesherrn stellte in der Frühen Neuzeit nichts
Besonderes dar. Die vormundschaftliche Stellvertretung eines aufgrund einer Krankheit
Unmündigen war Frauen jedoch nach dem gemeinen Recht nicht gestattet; vgl. z. B. die Aus-
einandersetzung Herzogin Jacobes von Jülich, geb. Markgräfin von Baden, mit den Räten von
1592 bis 1595. Für diesen Hinweis danke ich Katrin Herbers M.A. (Münster). Oswald Feis, Die
Krankheit Wilhelms des Mittleren. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Lues, in: Janus, Archives
internationales pour l'histoire de la medecine et de la geographie medicale 41,1937, S. 75-87.
18 Zum Teil gedruckt in: Hessische Landtagsakten (wie Anm. 10), S. 13-20; vgl. die ältere For-
schungsmeinung differenziert widerlegend Cordula Nolte, Der kranke Fürst. Vergleichende
Beobachtungen zu Dynastie- und Herrschaftskrisen um 1500, ausgehend von den Landgrafen
von Hessen, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27,2000, S. 1-36, hier S. 17-34; zu den Aus-
einandersetzungen der Landgrafen mit mächtigen Adeligen und dem Sturz hessischer Hof-
meister vgl. Karl E. Demandt, Das hessische Hofgericht und die >großen Sachern (1500-1514),
in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 35,1935, S. 37-57, hier S. 38f., S. 44.