36
Christine Kleinjung
Gebetshilfe Irmgards versichern. Sie gebar noch in dem Frauenkloster ihren Sohn, der
dort von seiner Großmutter bis zum siebten Lebensjahr erzogen wurde: und die selige
frauwe Yrmengardis die obgenante swester prediger Ordens behielt das kindelin by ir biß es schir
sieben jor alt was und zöge es alßo das es dornoch römischer kunig wart.
Diese Quelle bietet ohne Zweifel noch weitere interessante Stellen für die Unter-
suchung des Verhältnisses von Irmgard von Oettingen zur pfalzgräflichen Familie. An
dieser Stelle kann jedoch nur auf die Bedeutung, die der Nonne als »Stammutter« der
bayerischen Pfalzgrafen zukommt, verwiesen werden: der pfalzgräflichen Witwe und
Dominikanerschwester Irmgard wird in der Ordenschronik die frühe Erziehung des
zukünftigen römischen Königs Ruprecht zugeschrieben. Die Ordensinteressen liegen
klar zutage: Das innige Verhältnis der Pfalzgrafen zu Liebenau wird über die Schilde-
rung des Verhältnisses Irmgards zu ihrem Enkel Ruprecht aufgebaut und illustriert.
Doch ist für die Bewertung des persönlichen Handlungsspielraums Irmgards nicht zu
unterschätzen, dass ihre Person auf solche Weise in den Mittelpunkt gestellt wird.
Grosszügige Stiftungen der pfalzgräflichen Witwe/7 die dem Konvent auch
ihre Mitgift überliess,78 wurden von der Familie allem Anschein nach nicht nur
gebilligt, sondern standen in der Tradition pfalzgräflicher Förderung79 - bereits vor
Einführung der Observanz
Irmgard von Oettingen, die sich als junge Witwe in ein Dominikanerinnenkloster
zurückzog, später auch als Nonne beitrat und in Liebenau insgesamt 60 Jahre ihres
Lebens verbracht hat, wird demnach in den unterschiedlichsten Quellentypen durch-
aus gut greifbar. Das Verhältnis zu ihrer Familie kann anhand der vorliegenden Quel-
len noch weiter untersucht und gedeutet werden - besonders wichtig erscheint mir
einerseits, die Schilderung ihres Handelns in Bezug zu ihrer sozialen Rolle als Witwe
zu setzen und mit entsprechenden Rollenbildern zu kontrastieren und andererseits zu
überprüfen, in welchem Maß adelsspezifische Verhaltensmuster feststellbar sind.
Auch hier lohnt sich ein Blick auf die Interessenslage des Konvents. Irmgard
von Oettingen komt eine wichtige Position innerhalb der Darstellung Liebenaus als
»hochadliges« Kloster zu. Dieses auf den in der Forschung vielbeachteten Beichtva-
ter Johannes Meyer80 zurückgehende Bild bedient sich der Vorbildfunktion Irm-
77 Quellen zur Geschichte der Stadt Worms. Band I—II: Urkundenbuch der Stadt Worms, Band III:
Monumenta Wormatiensia. Annalen und Chroniken, hg. von Heinrich Boos, Berlin 1886-1893;
Bd. I, Nr. 804, S. 526f.; Regesten der Pfalzgrafen I (wie Anm. 72), Nr. 4422, 6814.
78 Urkunden zur Pfälzischen Kirchengeschichte im Mittelalter, bearb. von Franz Xaver Glas-
schröder, München/Freising 1903, Nr. 594, 597; Neue Urkunden zur pfälzischen Kirchenge-
schichte im Mittelalter, bearb. von Franz Xaver Glasschröder (Veröffentlichungen der Pfäl-
zischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 14), Speier 1930, Nr. 329.
79 Pfalzgraf Ruprecht II. stiftete 1366 eine ewige Messe: Hessische Urkunden, aus dem Großher-
zoglichen Hessischen Haus- und Staatsarchiv, hg. von Ludwig Baur, Band V, Urkunden 1070-
1499, Neudruck der Ausgabe Darmstadt 1873, Aalen 1979, Nr. 455, S. 427; Regesten der Pfalz-
grafen I (wie Anm. 72), Nr. 5045. Einer unehelichen Tochter, die in Liebenau lebte, schenkte er
eine Gülte auf die Bede zu Alzey: Regesten der Pfalzgrafen I (wie Anm. 72), Nr. 5452.
80 Johannes Meyer, Chronica brevis Ordinis Praedicatorum, hg. von Heribert Scheeben (Quel-
len und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 29), Vechta 1933,
zu Irmgard S. 69. S. auch Johann Goswin Widder, Versuch einer vollständigen Geographisch-
Historischen Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz am Rheine, 4 Bände, Frankfurt/Leipzig
1786/1788, Neudruck Neustadt a. d. Aisch 1995/1996, Bd. III, S. 139.
Christine Kleinjung
Gebetshilfe Irmgards versichern. Sie gebar noch in dem Frauenkloster ihren Sohn, der
dort von seiner Großmutter bis zum siebten Lebensjahr erzogen wurde: und die selige
frauwe Yrmengardis die obgenante swester prediger Ordens behielt das kindelin by ir biß es schir
sieben jor alt was und zöge es alßo das es dornoch römischer kunig wart.
Diese Quelle bietet ohne Zweifel noch weitere interessante Stellen für die Unter-
suchung des Verhältnisses von Irmgard von Oettingen zur pfalzgräflichen Familie. An
dieser Stelle kann jedoch nur auf die Bedeutung, die der Nonne als »Stammutter« der
bayerischen Pfalzgrafen zukommt, verwiesen werden: der pfalzgräflichen Witwe und
Dominikanerschwester Irmgard wird in der Ordenschronik die frühe Erziehung des
zukünftigen römischen Königs Ruprecht zugeschrieben. Die Ordensinteressen liegen
klar zutage: Das innige Verhältnis der Pfalzgrafen zu Liebenau wird über die Schilde-
rung des Verhältnisses Irmgards zu ihrem Enkel Ruprecht aufgebaut und illustriert.
Doch ist für die Bewertung des persönlichen Handlungsspielraums Irmgards nicht zu
unterschätzen, dass ihre Person auf solche Weise in den Mittelpunkt gestellt wird.
Grosszügige Stiftungen der pfalzgräflichen Witwe/7 die dem Konvent auch
ihre Mitgift überliess,78 wurden von der Familie allem Anschein nach nicht nur
gebilligt, sondern standen in der Tradition pfalzgräflicher Förderung79 - bereits vor
Einführung der Observanz
Irmgard von Oettingen, die sich als junge Witwe in ein Dominikanerinnenkloster
zurückzog, später auch als Nonne beitrat und in Liebenau insgesamt 60 Jahre ihres
Lebens verbracht hat, wird demnach in den unterschiedlichsten Quellentypen durch-
aus gut greifbar. Das Verhältnis zu ihrer Familie kann anhand der vorliegenden Quel-
len noch weiter untersucht und gedeutet werden - besonders wichtig erscheint mir
einerseits, die Schilderung ihres Handelns in Bezug zu ihrer sozialen Rolle als Witwe
zu setzen und mit entsprechenden Rollenbildern zu kontrastieren und andererseits zu
überprüfen, in welchem Maß adelsspezifische Verhaltensmuster feststellbar sind.
Auch hier lohnt sich ein Blick auf die Interessenslage des Konvents. Irmgard
von Oettingen komt eine wichtige Position innerhalb der Darstellung Liebenaus als
»hochadliges« Kloster zu. Dieses auf den in der Forschung vielbeachteten Beichtva-
ter Johannes Meyer80 zurückgehende Bild bedient sich der Vorbildfunktion Irm-
77 Quellen zur Geschichte der Stadt Worms. Band I—II: Urkundenbuch der Stadt Worms, Band III:
Monumenta Wormatiensia. Annalen und Chroniken, hg. von Heinrich Boos, Berlin 1886-1893;
Bd. I, Nr. 804, S. 526f.; Regesten der Pfalzgrafen I (wie Anm. 72), Nr. 4422, 6814.
78 Urkunden zur Pfälzischen Kirchengeschichte im Mittelalter, bearb. von Franz Xaver Glas-
schröder, München/Freising 1903, Nr. 594, 597; Neue Urkunden zur pfälzischen Kirchenge-
schichte im Mittelalter, bearb. von Franz Xaver Glasschröder (Veröffentlichungen der Pfäl-
zischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 14), Speier 1930, Nr. 329.
79 Pfalzgraf Ruprecht II. stiftete 1366 eine ewige Messe: Hessische Urkunden, aus dem Großher-
zoglichen Hessischen Haus- und Staatsarchiv, hg. von Ludwig Baur, Band V, Urkunden 1070-
1499, Neudruck der Ausgabe Darmstadt 1873, Aalen 1979, Nr. 455, S. 427; Regesten der Pfalz-
grafen I (wie Anm. 72), Nr. 5045. Einer unehelichen Tochter, die in Liebenau lebte, schenkte er
eine Gülte auf die Bede zu Alzey: Regesten der Pfalzgrafen I (wie Anm. 72), Nr. 5452.
80 Johannes Meyer, Chronica brevis Ordinis Praedicatorum, hg. von Heribert Scheeben (Quel-
len und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 29), Vechta 1933,
zu Irmgard S. 69. S. auch Johann Goswin Widder, Versuch einer vollständigen Geographisch-
Historischen Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz am Rheine, 4 Bände, Frankfurt/Leipzig
1786/1788, Neudruck Neustadt a. d. Aisch 1995/1996, Bd. III, S. 139.