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Bihrer, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England (850 - 1100): Kontakte, Konstellationen, Funktionalisierungen, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 39: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34755#0039

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A) Einleitung

rien nie eigens für die oder von der Mediävistik entwickelt wurden, sondern für die
Geschichte der Neuzeit oder für andere Disziplinen, sodass sie also einer umformenden
Adaption bedürfen. Dennoch geben gerade die modernen Ansätze nicht nur neue Per-
spektiven vor, sondern können mittelalterliche Gesellschaften angemessener erklären,
da sie die lange in der mediävistischen Beziehungsforschung dominierenden Kategori-
en wie Staatensystem, Nation und Territorium nicht vorsehen. Außerdem sind diese
aktuellen Theorieangebote stärker akteurszentriert und beziehen Wahrnehmungen,
Bedeutungszuschreibungen und Diskursordnungen mit ein. Schließlich verstehen die-
se Ansätze Kontakte als Prozesse und nehmen längerfristige Umformungs- und Hybri-
disierungsphänomene in den Blick. Diese Methoden schaffen ein Problembewusstsein;
sie weisen auf Themen und mögliche Antworten hin und eröffnen neue Perspektiven
auf die frühmittelalterlichen Quellen. Keine der aktuellen Theorien bietet sich aller-
dings dafür an, sie allein für die Untersuchung einer frühmittelalterlichen Kontaktge-
schichte zu adaptieren. Somit müssen im Folgenden noch weitere, bislang nicht oder zu
wenig beachtete Perspektiven und Aspekte diskutiert werden, um so neue Fragestel-
lungen formulieren zu können.

A) 5) Erweiterte Fragestellung

Bewegung und Begegnung
Das Verdichten und Ausdünnen von Beziehungen zwischen England und dem ostfrän-
kisch-deutschen Reich im Frühmittelalter, die Transferbewegungen und Adaptionspro-
zesse sowie die durch diese in Gang gesetzten Veränderungen und Neuformulierun-
gen von Wahrnehmungen können am adäquatesten als ein Prozess von Verknüpfungen,
Verschränkungen, Verschmelzungen und Transformationen sowie in der Gegenrich-
tung als eine Abfolge von Auflösungen, Dekompositionen und Re-Transformationen
beschrieben werden. Dieser Prozess, diese Bewegung, geht von Akteuren und Begeg-
nungen aus, also von Kommunikationssituationen. Aus dieser Problemstellung erge-
ben sich somit drei Voraussetzungen: Es muss zumindest eine Bewegung eines histori-
schen Akteurs, zumindest eine Grenzüberschreitung und zumindest ein Kontakt
vorliegen. Diese Begegnungen müssen jedoch nicht auf räumlicher Mobilität beruhen,
sondern können gleichermaßen den Umgang mit Informationen und Nachrichten, die
Nutzung von Artefakten oder die Erinnerung an Beziehungen meinen. Somit ergeben
sich vier Untersuchungsgebiete, nämlich die Betrachtung der Akteure, der Situationen
der Begegnungen, der Transfergüter und der Erinnerungen an die Kontakte.
Im ersten Untersuchungskomplex stehen die Kontaktpersonen im Mittelpunkt.
Dabei wird das Agieren von Individuen sowie von Gruppen, Personenverbänden oder
Netzwerken als Vermittler und Transformatoren individuell- und gruppenbiogra-
phisch analysiert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei Karrieren stellvertretend han-
delnder Repräsentanten von Institutionen oder Gruppierungen sowie den Erfahrungen
und Lebenswelten von Grenzgängern. Rückkehrer, die selbst verändert in die verän-
derte Heimat zurückgingen, können ebenfalls für die Fragestellung aussagekräftige
Lebenswege aufweisen. In den Blick kommen somit Personen und Gruppen, die in un-
 
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