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Bihrer, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England (850 - 1100): Kontakte, Konstellationen, Funktionalisierungen, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 39: Ostfildern, 2012

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34755#0468

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D) 3) Christenheit

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land orientierten sich hingegen ab Alfred dem Großen und insbesondere ab der bene-
diktinischen Reform in großem Maß an der karolingischen Kunst. Dabei bezogen sie in
fast allen Fällen ihre Vorlagen aus dem Westfrankenreich. Neue Stilelemente oder iko-
nographische Innovationen zum Beispiel der ottonischen Buchmalerei wurden auf der
Insel nicht wahrgenommen. Die künstlerische Entwicklung in der Steinskulptur, der
Goldschmiedekunst und der Elfenbeinschnitzerei, in der Wand- und Buchmalerei so-
wie in der Architektur in England und im ostfränkisch-deutschen Reich führte nicht
dazu, dass eine gemeinsame visuelle Formensprache der christianitas ausgebildet wur-
de.
Eine Reflexion über stilistische Gemeinsamkeiten oder über die Aufnahme von
äußeren Einflüssen ist vor dem Hochmittelalter nur sehr selten zu erkennen. Zu den
wenigen Beispielen dafür gehören Thangmars Bernwardsvita und Goscelins Edithsvi-
ta, wobei Letztere bereits dem späten 11. Jahrhundert angehört. Solche Reflexionen und
deren argumentative Nutzung sind meist erst im 12. Jahrhundert fassbar, wie die Chro-
nik der Erzbischöfe von York oder die Aussagen Williams von Malmesbury belegen.
Auch dieser Befund weist auf eine unbedeutende Rolle der künstlerischen Einflüsse bei
der Aufrechterhaltung der Verbindungen hin und unterstreicht somit die Instabilität
der Beziehungen zwischen England und dem ostfränkisch-deutschen Reich.

D) 3) Christenheit

D) 3) a) Geschichtskonstruktionen
KonstnAtz'onen der eigenen GescJn'cdie
Im Vorwort seiner wohl um 890 entstandenen Gesetzessammlung entwarf Alfred der
Große ein Geschichtsbild, in welchem er Standort und Rolle Englands innerhalb der
christianitas bestimmter^" So formulierte Alfred zur Legitimierung seiner Gesetzge-
bung eine von den mosaischen Gesetzen über die Umformung der alttestamentarischen
Vorschriften für die christlichen Völker, die Synoden der Kirche, die Gesetzgebung der
Könige aus Wessex, Mercia und Kent bis zu seinen Gesetzen reichende Kontinuitätsli-
nier^ Die Sammlung und - wie explizit betont wird - die Modifizierung und Strei-
chung von Gesetzen nahm Alfred zufolge jedes der christlichen Völker (deoda) allein
vor, ohne dabei in Austausch mit anderen Völkern zu stehen."^ Dieses Geschichtsbild
steht im deutlichen Gegensatz zur tatsächlichen Praxis, denn bei Alfreds Gesetzgebung
können zahlreiche karolingische Einflüsse nachgewiesen werden."^ Die späteren an-
2146 Die Gesetzessammlung Alfreds ist ediert in Ete6eraia;m, Gesetze 1, S. 16-69, und /fffeatwoHgli,
Earcs, S. 62-93. Pratt, Thought, S. 219, hat zuletzt vorgeschlagen, die Gesetzessammlung Al-
freds auf 886/893 zu datieren.
2147 Die Einleitung ist ediert in EteEeraiaaa, Gesetze 1, S. 26-47 und ein Ausschnitt in /fffeatwoHgli,
Earcs, S. 62-63.
2148 Vgl. EteEeraiaaa, Gesetze 1, S. 44-47.
2149 Zu den karolingischen Einflüssen vgl. Pratt, Law; S. 332, Pratt, Thought, S. 214-241, und Wor-
mald, Making, S. 30-92.
 
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