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Bihrer, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England (850 - 1100): Kontakte, Konstellationen, Funktionalisierungen, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 39: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34755#0022

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A) 3) Wertungen der bisherigen Forschung

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»There is still a long way to go.«^ Auf das 10. und 11. Jahrhundert treffen diese Einschät-
zungen noch sehr viel mehr zu.

A) 3) Wertungen der bisherigen Forschung

Die Forscherinnen und Forscher, die sich mit den Beziehungen zwischen England und
dem Kontinent im Frühmittelalter befassen, betonen meist die große Mobilität von Per-
sonen, Artefakten und Ideen."' Aufgrund der häufigen Kontakte und der intensiven
Kommunikation sei ein dichtes Netz an Verbindungen entstanden/' Diese Beziehungen
seien »deep, complex, and permanent«^ gewesen. Der Kanal wird nicht als Barriere,
sondern als häufig benutzte Transitroute verstanden.^ Diese Profilierung der Ergebnis-
se geschieht zum Teil in bewusster Abgrenzung zu älteren Arbeiten, welche die eigen-
ständige Entwicklung frühmittelalterlicher Völker oder Nationen betonten oder die im
Vergleich mit der Moderne bzw. mit dem Hoch- und Spätmittelalter der älteren Epoche
ein größeres Ausmaß an Kontakten und Austausch absprechen wollten. Insbesondere
die englische Forschung hebt hervor, dass England nicht von den Entwicklungen auf
dem Kontinent isoliert war. Eine weitere Zuspitzung erfährt die aktuelle Sicht, wenn
das Frühmittelalter als Beginn der Integration Europas, als Grundlegung der westli-
chen Zivilisation und als Ort des gemeinsamen Erbes Englands und des Kontinents
gesehen wirdA Zugleich klagt die Forschung aber über die wenigen Quellen; viele der

50 Nelson, England I, S. 10.
51 Vgl. zuletzt die Bewertung in einem Übersichtsaufsatz von 2009 zu den Beziehungen der Briti-
schen Inseln zum Kontinent zwischen 900 und 1100, in welchem von einer großen Zahl an
Kontakten, engen persönlichen Netzwerken, intensivem Handel und von Verbindungen bei
den großen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Entwicklungen die Rede ist, vgl.
MacLean, Britain, S. 358-359.
52 Aus den zahlreichen Belegen kann nur eine Auswahl geboten werden, vgl. z.B. Kirby, Ma-
king, S. 262, MacLean, Britain, S. 372, oder Yorke, Anglo-Saxons, S. 108. Zu den Jahren 700 bis
900 stellt McKitterick, England, S. 65, fest: »Thus examination of the ränge of evidence for
cross-Channel communication suggests a far more extensive, varied and influential network
than has been suspected hitherto.«
53 MacLean, Britain, S. 373.
54 Die Reisetätigkeit »show the Channel as a well-worn highway rather than as a serious geogra-
phical barrier«, so Backhouse, Literature, S. 143, vgl. auch Gardiner, Shipping, S. 71: »through-
out the medieval period the Channel served to unite rather than separate England and Conti-
nental Europe«, oder McKitterick, Diffusion, S. 430: »The Channel does not represent a great
divide.«
55 »English missionaries and scholars ... made a large contribution to the spiritual foundations
and unity of Western civilization«, so Levison, England, S. 1, vgl. auch ebd., S. 173: »The devo-
tion and the enterprise of English emigrants in the eighth Century had a large share in creating
this common soil and atmosphere.« »Das christliche Mittelalter war in vieler Hinsicht viel
>europäischer< als die nachfolgenden Jahrhunderte«, so Sarnowsky, 10. Jahrhundert, S. 47; vgl.
auch ebd., S. 75: »Englands Beziehungen zum Kontinent im 10. Jahrhundert sind somit ein
Stück der gemeinsamen europäischen Vergangenheit.« Nelson, England I, S. 1, sieht das
9. Jahrhundert als »formative and defining period in European history, not least because of
multiple contacts between England and the Continent.«
 
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