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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0034

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1.2. Geschichte und Netzwerkanalyse: Eine methodische Einführung

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Ressourcen sind hierbei im Sinne Pierre Bourdieus zu verstehen als alle Formen, die
individuell akkumuliertes Kapital annehmen kann - als ökonomisches (Geld und Besitz),
kulturelles (Bildung), soziales (Beziehungen) und symbolisches Kapital (Rang, Prestige)/^
Insbesondere der Begriff des sozialen Kapitals lässt sich eng mit der Netzwerktheorie
verbinden, da er eben auf das Netz von Beziehungen, das ein Akteur zu anderen Akteuren
unterhält, rekurriert/^ NHworbhy ist somit nichts anderes als die Konvertierung anderer
Kapitalformen in Sozialkapital, dessen Zugewinn sich in der Verbesserung der eigenen
Position in den relevanten sozialen Netzwerken bemisst/^
Ein solcher Zugewinn ist freilich jederzeit fragil, weil der Wert der eigenen Po-
sition in einem Beziehungsgeflecht vom ebenso fragilen Wert der übrigen Positionen
abhängt (so wie ein Herrschersturz automatisch auch den Günstling entmachtet)/^
Gerade im Bereich der Politik ist dieser Punkt äußerst wichtig, da hier der Ressour-
ceneinsatz besonders hoch ist und der Verlust des Sozialkapitals existentielle Fol-
gen haben kann. Aus diesem Umstand ergibt sich zweierlei: Zum einen begründet
die Angst der maßgeblichen (sprich: ressourcenstarken) Akteure, bei zu starken Än-
derungen des Netzwerkgefüges in unvorhersehbarer Weise massiv Sozialkapital zu
verlieren, ihren grundsätzlichen „Strukturkonservatismus", was die politische Grund-
ordnung (etwa die zentrale Rolle der Königsposition) auf oft sehr lange Zeit stabili-
siert/^ Zugleich aber ist die Verlockung der außerordentlichen Machtchancen, die im
politischen Feld zu vergeben sind, in der Regel doch so hoch, dass im Rahmen des
des unserer Tage: Zwar ist hier die Tendenz zum Leerlauf, zur sinnfreien „Beziehungspflege"
durchaus gegeben, doch letztlich erwarten die User solcher commHnihcs immer irgendeinen
Nutzen, der die getätigte Zeit- (und Geld-) Investition rechtfertigt - sei es die Einholung von
Informationen, die Gewinnung emotionaler Profite (Freundschaften, Prestige) oder die durch
Internetpartner vermittelte Karriereförderung im weitesten Sinne: „Das Internet wird extrem
durch soziale Normen dominiert, die auf Teilen, Mitteilen und Austauschen ausgerichtet sind.
(...) Das Internet lebt vom Austausch der Daten." („Die Identität wird klebrig". Generation
Internet, Interview mit URS GASSER in: SZ Wissen, Ausgabe 04/2009). Siehe auch die Übersicht
über Relationsinhalte in Netzwerken bei JANSEN, Netzwerkanalyse, S. 59.
^ PiERRE BouRDiEU, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: DERS., Die
verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur 1, 2. Auf!., Hamburg
1997, S. 49-80, und andere Schriften desselben Verfassers. In der Mediävistik erfreut sich der
Bourdieusche Theorieansatz, auf den hier nicht näher eingegangen werden kann, zunehmender
Beliebtheit, vgl. etwa JAN KEUPP, Interaktion als Investition. Überlegungen zum Sozialkapital
König Konrads III., in: HuBERius SEiBERT / JÜRGEN DENDORFER (Hgg.), Grafen, Herzoge,
Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152) (Mittelalter-Forschungen,
18), Ostfildern 2005, S. 299-321, sowie STEFAN BuRRHARDT, Mit Stab und Schwert. Bilder,
Träger und Funktionen erzbischöflicher Herrschaft zur Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas,
die Erzbistümer Köln und Mainz im Vergleich (Mittelalter-Forschungen, 22), Ostfildern 2008
(insbes. S. 14f.).
^3 Vgl. hierzu JANSEN, Netzwerkanalyse, S. 26-34.
Es muss demnach genügend von den anderen Kapitalformen vorhanden sein, um das Sozial-
kapital steigern zu können. Ein Fürst kann, um Vasallen zu gewinnen, die ihm im Kriegsfall
beistehen und durch ihre Unterordnung sein Prestige erhöhen, eben nie mehr Land zu Lehen
ausgeben als er besitzt.
"3 JANSEN, Netzwerkanalyse, S. 27. Siehe hierzu auch allgemein JAN HiRSCHBiEGEL / WER-
NER PARAViciNi (Hgg.), Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum
17. Jahrhundert (Residenzenforschung, 17), Ostfildern 2004.
Entscheidend ist hierbei nicht das selbstverständliche Interesse des Königs selbst, sondern das
der Eliten, die ihn tragen, weil ihnen die Existenz des Königtums für den eigenen Statuserhalt
unverzichtbar erscheint, vgl. ELIAS, Höfische Gesellschaft.
 
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