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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0036

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1.2. Geschichte und Netzwerkanalyse: Eine methodische Einführung

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entwickelten Modell der strukturellen Balance in Netzwerken betritt die Untersuchung,
jedenfalls für den Bereich der Geschichtswissenschaft, methodisches Neuland, wenn-
gleich, wie zu zeigen sein wird, dieses einfache Konzept in historischen Deutungen oft
unterschwellig präsent ist.
Fritz Heider ging in seinen Überlegungen von der Frage aus, wie „Personen und
ihre Einstellungen zu anderen Personen oder Dingen in eine kognitive Balance" zu brin-
gen sind 7^ Diese Frage richtet sich aber nicht nur auf die gegenseitige Wahrnehmung,
sondern kann ohne weiteres auf den Bereich personaler sowie politischer Beziehungen
allgemein ausgedehnt werden (stnAtMreBc BaUucc). Fundamental für die Untersuchung
derartiger Balancezustände ist die Betrachtung der affektiven Verhältnisse in einer Triade
(Triple), einer Gruppe von drei Akteuren (A, B und C), die durch drei Dyaden wech-
selseitig miteinander verbunden sind. Die Forderung der kognitiven Balance bedeutet
nun, dass die Verhältnisse zwischen den Akteuren in harmonischer Weise aufeinander
eingestellt sind. Sind sie es nicht, entsteht in der Konstellation ein kognitiver Stress, der
eine Motivation zu einer Änderung der bestehenden affektiven Verhältnisse schafft.^
Gehen wir von einer einfachen Kategorisierung der affektiven Verhältnisse als positiv
(freundschaftlich) und negativ (feindlich) aus, ergeben sich folgende vier Möglichkeiten
(Abbildung 4):

/ \
/ \
*E-'*
(4) nicht balanciert
(heZ/nn? onw/HW
cowirn owneV


positive Bindung (Bündnis. Freundschaft)
negative Bindung (Konflikt)

Abb. 4: Kognitive Balance in Triaden nach Fritz Heider.
In einer jeden Dreierbeziehung wird es nach Heider eine Tendenz dahin geben, dass
sich ein balancierter (harmonischer) Zustand einstellÜ' - ein Sachverhalt, dessen zeitlose
^ So JANSEN, Netzwerkanalyse, S. 40, die das Konzept dort kurz vorstellt. Vgl. hierzu FRiiz
HEIDER, Psychologie der interpersonalen Beziehungen, Stuttgart 1977 (zuerst 1958), insbes.
S. 212ff., 238-251, sowie vertiefend: DoRwiN CARTWRiGHT / FRANK HARARY, Structural balance.
A generalization of Heider's theory, in: Psychological review 63 (1956), S. 277-293; PAUL W.
HOLLAND / SAMUEL LEINHARDT, Social Structure as a network process, in: Zs. für Soziologie 6
(1977), S. 368-402.
8° Analog können auch die Einstellungen zweier Personen zu einem Sachverhalt betrachtet
werden. Auch hier fordert die Theorie einen Gleichklang der beiderseitigen Empfindungen
gegenüber diesem Dritten - etwa eine gleiche religiöse Einstellung und dgl.
si HEIDER, Psychologie, S. 238, 244ff. u.ö.; ebda., S. 213 aber auch ein Verweis darauf, dass es
zuweilen „auch eine Tendenz dazu geben (kann), das bequeme Gleichgewicht aufzugeben, um
das Neue und Abenteuerliche zu suchen". Zur experimentellen Bestätigung der Bevorzugung
von kognitiv ausbalancierten (Gleichgewichts-) Zuständen siehe auch ebda., S. 242f., sowie
unten S. 39f.
 
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