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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0070

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1.3. Gegenstand und Vorgehensweise dieser Untersuchung

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festzuhalten.'^ Verwandtschaft besaß zwar oft nur ein fallweise zu aktivierendes po-
litisches Potential, aber hinsichtlich ihrer moralischen und rechtlichen Verbindlichkeit
(Erbrecht!) und ihrer tendenziell unbegrenzten Dauer war sie im Mittelalter allen anderen
Bindungskategorien überlegen.
Verwandtschaft bildet schon insofern die Basiskategorie unserer Untersuchung,
da sich über die agnatische Verwandtschaft die (weltlichen) Akteure selbst definieren,
welche nicht als Individuen, sondern als familiäres Kollektiv betrachtet werden. Möglich
ist dies, weil durch die zumeist eindeutig geregelte Erbfolge Herrschaftskontinuität
innerhalb des Geschlechts im Untersuchungszeitraum der Normalfall war und der Sohn
somit von vornherein in dieselben Beziehungsnetze und Interessengeflechte hineingestellt
wurde wie der Vater. '^ Die Möglichkeit, dass es innerhalb eines Hauses zu Spannungen
kommen konnte und sich damit die politische Linie des Geschlechts uneinheitlich
gestaltete, ist dabei zwar einzukalkulieren, doch ist dies ein Phänomen, das sich in der
Modellbildung abfangen lässt.'^
^ Zur adligen Verwandtschaft und der darauf basierenden Gruppenbildung existiert umfangrei-
che Literatur, die viel Anregendes, aber auch Kontroverses zur verwandtschaftlichen Relation
enthält. Vgl. hierzu den allgemeinen Forschungsüberblick bei HEcnBERGER, Adel, S. 303-331;
ferner HANS-WERNER GoETZ, Verwandtschaft im früheren Mittelalter (I): Terminologie und
Funktionen, in: KRIEGER (Hg.), Verwandtschaft, S. 15-36, sowie JosEPH MoRSEL, Ehe und
Herrschaftsreproduktion zwischen Geschlecht und Adel (Franken, 14.-15. Jahrhundert). Zu-
gleich ein Beitrag zur Frage nach der Bedeutung der Verwandtschaft in der mittelalterlichen
Gesellschaft, in: ANDREAS HoLZEM / INES WEBER (Hgg.), Ehe - Familie - Verwandtschaft.
Vergesellschaftung in Religion und sozialer Lebenswelt, Paderborn u.a. 2008, S. 191-224.
Besonders anregend für die vorliegende Arbeit waren auch folgende Arbeiten: KARL-HEINZ
SriEss, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters: 13. bis
Anfang des 16. Jahrhunderts (VSWG, Beiheft 111), Stuttgart 1993; MoRAW, Heiratsverhalten;
JÜRGEN DENDORFER, Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft. Die Grafen von Sulz-
bach und ihr Beziehungsgeflecht im 12. Jahrhundert (Studien zur bayerischen Verfassungs-
und Sozialgeschichte, 23), München 2004; TOBIAS WELLER, Die Heiratspolitik des deutschen
Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv, 149), Köln / Weimar / Wien 2004, und GER-
HARD LuBiCH, Verwandtsein. Lesarten einer politisch-sozialen Beziehung im Frühmittelalter
(6.-11. Jahrhundert), Köln / Weimar / Wien 2008.
1^6 Vgl. die Formulierung von ALTHOFF, Verwandte, S. 2, über das Hineingeborensein des Soh-
nes „in das Gefüge der herrschaftlichen und freundschaftlichen Bindungen seines Vaters,
die er wie ein dingliches Erbe übernahm". - Mit diesem Abstellen auf die Kategorie des
Geschlechts als „kollektiven Akteur" entsprechen wir voll und ganz dem Forschungsstand,
der im hochmittelalterlichen Adelsgeschlecht eine Grundkomponente der deutschen Verfas-
sungsgeschichte sieht. Dass sich diese Geschlechter nicht einfach über die genealogischen
Bande, sondern über diverse materielle und ideelle Faktoren (Stammsitze, Besitz- und Herr-
schaftskontinuität, Hauskloster, Familienbewusstsein) definierten, kann hierbei ohne Weiteres
mitgedacht werden. Vgl. hierzu nur etwa den Sammelband von KARL ScHMiD, Gebetsgeden-
ken und adliges Selbstverständnis im Mittelalter: ausgewählte Beiträge. Festgabe zu seinem
sechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1983 (insbes. S. 183-244). Die jüngst geäußerte Kritik am
Schmidschen Konzept der Ablösung der Sippe durch das Geschlecht (dazu nur etwa LuBiCH,
Verwandtsein, S. 138-146, 220-224) ist dabei für unsere Modellbildung nicht relevant, ihr ist
sogar hinsichtlich der Relativierung der Schmidschen These einer zunehmenden Priorisierung
agnatischer gegenüber kognatischen Bindungen voll zuzustimmen.
'77 irn Untersuchungszeitraum ist dabei etwa an die Spannungen innerhalb des babenbergischen
Herzogs- oder der arpadischen und przemyslidischen Königshäuser zu denken, doch lässt
sich eine vereinheitlichte Modellierung durch Berücksichtigung des Standpunkts allein des
letztlich erfolgreichen Vertreters - zumeist des Familienseniors - unschwer erreichen. So wird
etwa die Eheschließung des Markgrafen Przemysl von Mähren, des Bruders König Wenzels I.
 
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