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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0102

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2.2. Die Heiratspläne für Heinrich (VII.)

101

Ludwig machte den Kaplan zu einem „Insider", dessen Bericht wir angesichts der Bedeu-
tung des Landgrafen bei den folgenden Ereignissen nicht leichthin übergehen dürfen.^
Darüber hinaus berichten noch mehrere weitere hiervon unabhängige Quellenzeugnisse
von dieser Verlobung.^ Man wird somit eher gegen die Glaubwürdigkeit des Gesandten-
berichts votieren, hatte doch Erzbischof Engelbert allen Grund, gegenüber den englischen
Brautwerbern die Bedeutung der böhmischen Offerte herunterzuspielen. Sicher kam es
in Ulm noch zu keiner Entscheidung, doch war der König einer Ehe mit Agnes offenbar
doch nicht so völlig abgeneigt.^
Zudem ist entgegen der oft psychologisierend argumentierenden Literatur^ festzu-
halten, dass den Ausschlag für Agnes von Böhmen das „conszZztzM prmczpizm" gab, nicht
Berthold verfasste einen Lebensbericht des 1227 verstorbenen Landgrafen, die Geste Fzzzioazzcz,
in dem seine Nähe zu den geschilderten Ereignissen zuweilen direkt durchklingt. Vgl. zu
ihm kurz LoMNiTZER, Bertholdus Capellanus, in: VL 1, Sp. 805ff., sowie STEFAN TEBRUCK, Die
Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung im Hochmittelalter: klösterliche Traditionsbildung
zwischen Fürstenhof, Kirche und Reich (Jenaer Beiträge zur Geschichte, 4), Frankfurt a.M.
2001, S. 19. Bertholds Gcsizz Fzzzioa'zn' selbst sind verloren, gingen aber in die Reinhardsbrunner
Chronistik ein, so dass die hier und im folgenden zur Diskussion stehenden Abschnitte mit
großer Sicherheit als (weitgehend) authentisch angesehen werden können. Vgl. hierzu die
Untersuchungen von CARL WENCK, Die Entstehung der Reinhardsbrunner Geschichtsbücher,
Halle 1878, S. 13-19, und OswALD HoLDER-EGGER, Studien zu thüringischen Geschichtsquellen,
Teil 2, in: NA 20 (1895), S. 569-637, hier: S. 622-637. Die (indirekt) aus den Gcsfc LM&wz'c;
übernommenen Passagen der Reinhardsbrunner Chronik sind in der MGH-Edition durch die
Randnotiz „Berth." gekennzeichnet.
52 Es handelt sich zum einen um den Bericht des St. Galler Mönchs Konrad von Fabaria über
den 1230/31 durch Heinrich (VII.) gehegten Plan, seine nunmehrige Ehefrau Margarethe von
Österreich zu verstoßen, weil er zuvor schon mit Agnes verlobt gewesen war: „Fad zzzzlczz; causa
zhaorcü, reyz's Poezzn'e des^ozzsaveraf &/zzfzzro fazzzezz et zzozz cozzüacüz & ^resezzfz...". Zwar
wäre nicht auszuschließen, dass es sich hierbei um eine nachträgliche Erfindung des Königs
handelt, um sich unter den aktuellen Bedingungen der Zeit um 1230 der politisch missliebigen
Ehefrau entledigen zu körmen (siehe dazu unten S. 246ff.). Doch die Übereinstimmung zur
Notiz der Reinhardsbrunner Chronik ist schon sehr auffällig. Der besondere Wert des St. Galler
Berichts hegt zudem darin, dass der damalige Abt Konrad von Bussnang einer der engsten
Vertrauten König Heinrichs (VII.) war, so dass wir auch hier mit Insiderinformationen rechnen
können. Vgl. Cozzrazfzzs & Fahzz*za: Casuum sancti Galli continuatio = Die Geschicke des Klosters
St. Gallen, übers, v. CHARLOTTE GscHwiND-GiEsiNGER, Zürich 1989, darin insbes. S. V-X (zu
Chronik und Autor) sowie die obige Textstelle auf S. 90 (cap. 35). Auch die Cozziz'zzzzaiz'o
Garsfczzsz's, in: MGH SS IX, S. 596, mithin die Tradition der babenbergischen Gegenseite,
erwähnt die nicht zustande gekommene, aber geplante Ehe zwischen Heinrich und Agnes
(zitiert unten S. 107f., Anm. 73). Ähnlich berichtet auch die Klosterneuburger Überlieferung
zu 1224, vgl. Cozzfz'zzzzafz'o CZazzsfrozzcoFzzrgczzsz's scczzzzzfa / fcrfz'a, hg. von WILHELM WATTENBACH
(MGH SS IX), Hannover 1851, S. 613-624 und 628-637, hier: S. 636.
55 Die Zweifel, die THORAU, Heinrich (VII.), S. 256, gegen die Richtigkeit der Aussage der
Reinhardsbrunner Chronik hegt, erscheinen mir somit nicht stichhaltig. Eher wird man doch -
auch entgegen WiNRELMANN, Friedrich II., Bd. 1, S. 454A - geltend zu machen haben, dass
Erzbischof Engelbert während seines Gespräches mit den englischen Gesandten noch hoffte,
den König zu einer ablehnenden Haltung bewegen zu können. Er hatte ein Mofzb, die Dinge
falsch darzustellen, etwas, was die übrigen Berichterstatter nicht hatten.
55 Siehe nur etwa THORAU, Heinrich (VII.), S. 243, zur Ablehung des böhmischen Eheprojekts
durch Heinrich: „Als knapp Vierzehnjähriger, der sich der Tragweite einer solchen Äußerung
wohl auch noch gar nicht voll bewußt war ...". JosEF MÜHLBERGER, Lebenswege und Schick-
sale der staufischen Frauen, Esslingen 1977, S. 164, bezeichnet Agnes als „Jugendgeliebte"
Heinrichs.
 
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