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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0239

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238

3. Stellvertreter in stürmischen Zeiten

zung, das „SMüfMw" und die übrigen Gesetze seien dem König durch eine geschlossene
Fürstenopposition abgetrotzt worden, wobei es ihm nicht einmal gelungen sei, wie
etwa Friedrich 1220 bei der „Con/be&mh'o CMW pn'ncz'pzhMS eccZesMsh'cz's", dafür konkrete
politische Gegenleistungen zu erhalten.^
Der Text der Gesetze selbst gibt für diese Deutung keine Anhaltspunkte, alle Über-
legungen müssen bei ihrer mutmaßlichen Intention ansetzen. Nun ist zwar nicht zu
bestreiten, dass die Fixierung der fürstlichen Herrschaftsrechte den König in seinen
Handlungsmöglichkeiten einschränkte. Doch haben König und Fürsten wirklich derart
„strategisch" gedacht und um jeden Paragraphen verbissen miteinander gerungen? Ich
möchte es bezweifeln. Einstweilen mag der Verweis auf die Einschätzung der neueren
Forschung genügen, welche betont hat, dass die Bestimmungen des „SMüfMw" so revo-
lutionär nicht waren, dass sie der Macht der Fürsten nichts wirklich Neues hinzufügten
und die Macht des Königs (wie auch etwa das Wachstumspotential der Städte) nicht
effektiv zu beschneiden vermochten.^' Doch auch wenn diese Gesetze eine Schwächung
des Königtums tatsächlich bewirkt haben sollten - was zu beweisen wäre -, so war
ihr Erlass doch nicht unbedingt ein Zeichen königlicher Schwäche. Als Gesetzgeber zu
wirken, selbstverständlich im Konsens mit den Großen des Reiches, war eine der vor-
nehmsten Aufgaben des mittelalterlichen Herrschers - wer hätte dies besser inszenieren
können als etwa Friedrich II., der sich in dieser Hinsicht, wie die kunstvolle Arenga
des von ihm 1232 erlassenen „SüdMiMtn" beweist, tatsächlich sehr viel gewandter zeigte
als sein Sohn. Warum aber sollte man Heinrich (VII.) absprechen, was man Friedrich II.
zugebilligt hat? Egal, wie konfrontativ etwa die Vorverhandlungen ausgesehen haben -
das Gesetzgebungswerk von 1231 an sich musste die Autorität des Königs stärken.
Wenn Friedrich - keineswegs „zähneknirschend" - das „SMühw?" 1232 auf Wunsch der
Fürsten bestätigte, hängte er sich nur an den fahrenden Zug, tat er einen notwendigen
Schritt, um im Wettstreit um die Anerkennung der Fürsten mit seinem Sohn mitzuhalten.
Hierin, in dieser Anerkennung, könnte die von der Forschung vermisste Gegenleistung
für Heinrich wie für Friedrich gelegen haben - ein Wert an sich freilich nur unter den
Bedingungen jenes staufischen Doppelkönigtums mit seiner fragilen Machtbalance.^

fürstlicher Städte (BF 4198, dazu unten) vervollständigen dieses erste systematische, auf
den gesamten Reichsfürstenstand bezogene Gesetzeswerk eines mittelalterlichen deutschen
Herrschers. Die breite Literatur zur Ausbildung der Landesherrschaft in Deutschland ist hier
nicht zu referieren, vgl. hierzu nur ERNST SCHUBERT, Fürstliche Herrschaft und Territorium im
späten Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 35), München 1996, sowie DERS., Art.:
Landesherrschaft und -hoheit, in: LexMA V, Sp. 1653-1656.
220 Dass es dem König und später dem Kaiser von den Fürsten „abgezwungen" worden sei, betont
die Forschung immer wieder, so zuletzt BosHOF, Reich, S. 7. Dabei ist man sich mittlerweile
völlig darüber im Klaren, dass die Staufer kaum einen Grund für eine entschiedene Verwei-
gerungshaltung hatten (dazu unten) und drückt dies auch so aus, etwa KELLER, Zwischen
regionaler Begrenzung, S. 490: „Dass der Kaiser seine Bestätigung zähneknirschend gegeben
habe, ist nirgends belegt und dürfte kaum zu Recht behauptet worden sein." Hier wird einfach
an alten Forschungsstereotypen festgehalten. Das Fehlen von Gegenleistungen betont etwa
STÜRNER, Heinrich (VII.), S. 24f.
221 Stellvertretend für die einhellige Meinung der Forschung sei STÜRNER, ebda, zitiert: „Wie
für das Fürstenprivileg von 1220, so gilt auch für dasjenige von 1231, dass es nur formell
zugestand, was längst praktiziert wurde, dass mit ihm kein Hoheitsrecht völlig der Hand des
Königs entglitt und dass sich die königliche Verwaltung nach seinem Erlaß ebensowenig wie
vorher an die fürstlichen Forderungen bezüglich der königlichen Territorialpolitik hielt (...).
So war die praktische Bedeutung auch des Dokuments von 1231 wohl eher gering."
222 An der Überlegung, dass für Heinrich und Friedrich ein gewisser Zwang bestanden haben
 
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