Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0240

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3.3. Die angebliche „Kapitulation" Heinrichs (VII.)

239

Auch von etwaigen konkreten Rückschlägen der königlichen Politik ist in Worms
nicht viel zu spüren. Einzig der Rechtsspruch zum Befestigungsrecht fürstlicher Städte
weist eine konkrete politische Tendenz auf, da er mit der Erlaubnis an den Bischof von
Freising verbunden war, seine Stadt zu ummauern.^ Dass sich diese Maßnahme gegen
den Bayernherzog richtete, dem die Übernahme der Stadt Freising als bischöfliches
Lehen im Vorjahr vom Fürstengericht und dem Kaiser verboten worden war, steht außer
Frage.^ Zu Heinrichs Politik von Ende 1230 passt sie nicht, wohl aber zur Haltung des
Kaisers sowie einer Reihe von Fürsten, die als Zeugen der Urkunde fungierten.^ Schon
Winkelmann hat auf das Fehlen des Kelheimers beziehungsweise seines Sohnes Otto auf
dem Hoftag hingewiesen und es mit dem genannten Diplom in Beziehung gesetzt. Für
eine erneute „antiwittelsbachische Wende" des Königs erscheint es mir aber angesichts
dessen, dass Pfalzgraf Otto drei Monate später wieder bei Hofe weilte (BF 4215), keine
hinreichenden Anhaltspunkte zu geben. Hier könnte noch am ehesten eine „Überwäl-
tigung" des Königs durch die anwesenden, eher antibayerisch ausgerichteten Fürsten
vorliegen - freilich in einer nur Heinrichs Bündnispartner betreffenden, nachgeordneten
Angelegenheit. Heinrich scheint sich überhaupt gehütet zu haben, Präferenzen gegenüber
bestimmten Fürsten allzu deutlich werden zu lassen, wie seine recht konturlose und im
Übrigen ins allgemein-gesetzgeberische ausweichende Politik zu erkennen gibt. Beides
steht einem König, der „über den Parteien schweben" und vermitteln soll, recht gut
an.226
Auf den beiden Wormser Hoftagen war von einer politischen Krise noch nichts
zu spüren. Dann aber kam es zu einer überraschenden Wende. Der schon lange Zeit
schwelende Gegensatz zwischen Friedrich II. und Heinrich (VII.) brach plötzlich offen auf.
Zwei aufeinander folgende kaiserliche Hoftage in Oberitalien gerieten zur „Abrechnung"
mit dem jungen König, der von seinem Vater demonstrativ gemaßregelt wurde. Was
waren die Gründe für diesen Umschwung, was hat es mit jener Fürstenfronde auf sich,
welche die Forschung seit Worms am Werk sieht und die nun auch den Vater gegen
Heinrich (VII.) aufhetzte? Fakt ist: Nach einer - gemessen an nicht einfachen politischen
Rahmenbedingungen - durchaus erfolgreichen Phase selbständiger Herrschaft trat das
Königtum Heinrichs (VII.) nunmehr in sein dramatisches finales Stadium ein.

muss, das Gesetz zu erlassen, wird man festzuhalten haben, wie schon WiNKELMANN, Fried-
rich II., Bd. 2, S. 242A betont: „Niemand wird ernstlich glauben wollen, dass der König z.B.
mit dem Fürstenprivilege vom 1. Mai von sich aus den Fürsten (...) überhaupt eine Gnade
zu erweisen beabsichtigt habe." Doch kann ich eine „Überwältigung" des Königs durch die
Fürsten nicht erkennen. Die Annahme, es habe ihm wie auch später seinem Vater in der nicht
gerade einfachen reichspolitischen Situation vor allem an einer demonstrativen Inszenierung
seiner herrscherlichen Autorität gelegen, reicht meines Erachtens als Erklärung aus.
223 gp 4197 dazu WiNKELMANN, ebda., S. 242.
^4 Zu diesem in Anagni gefällten Urteil und der Wahl eines neuen Bischofs siehe oben S. 225
(Anm. 169). Ludwig begann noch im Sommer 1231 im Bündnis mit seinem früheren Gegner,
dem Grafen von Wasserburg, eine Fehde gegen Freising, vgl. BF 11102 und WiNKELMANN,
ebda., S. 254.
225 Mit den Herzogen von Limburg und Meranien tauchen gleich zwei Gegner der Wittelsbacher
in der Zeugenliste auf, auch das Verhältnis der Wittelsbacher zu den ebenfalls genannten
Erzbischöfen von Mainz und Trier sowie dem Bischof von Worms war aufgrund territorial-
politischer Rivalität eher ungünstig. Ist es unter solchen Umständen bloßer Zufall, wenn der
Verbündete des Pfalzgrafen, Erzbischof Heinrich von Köln, der doch in BF 4191 und 4195 als
Zeuge auftritt, hier fehlt?
22^ In Zeiten relativ geringer politischer Spannungen wie im ersten Halbjahr 1231 war diese
„Überparteilichkeit" recht gut zu realisieren.
 
Annotationen