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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0243

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4. Ein Königtum auf Abruf. Das Reich zwischen 1231 und 1235

Die nach wie vor beste Untersuchung zu diesem spektakulären Mordfall stammt aus
der Feder Eduard Winkelmanns, der sich nach sorgfältiger Prüfung aller Quellenzeugnis-
se und kenntnisreicher Erörterung der geschichtlichen Hintergründe dafür entschied, die
Mitwisserschaft des Kaisers an dem Mord für unwahrscheinlich zu halten.^ Kein leichtes
Unterfangen - immerhin musste er gegen alle Quellen und gegen ein durchaus plausibles
historisches Szenario anschreiben. Und so bräuchte man in der Tat bei Winkelmanns
Glaubwürdigkeits- und Plausibilitätsabwägungen die Gewichte nur etwas anders zu
verteilen, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Verdacht der Zeitgenossen begründet
sei. In dem Bewusstsein, dass sich der Fall nicht sicher entscheiden lässt, sei das Material
hier noch einmal einer Revision unterzogen.
1. Die Identität des Mörders: Soweit der Mörder in den Quellen näher charakterisiert
wird, wird er entweder als „Unbekannter"^ oder aber direkt als „Assassine", als „Bote
des Alten vom Berge" bezeichnet.^ Die Assassinen, eine im späten 11. Jahrhundert
entstandene schiitische Sekte, deren besonderes „Markenzeichen" die Eliminierung
politischer Gegner durch fanatische Glaubenskämpfer (Fedajin) war, besaßen zur Zeit der
Kreuzzüge Stützpunkte in Syrien und mischten in der Politik der Levante kräftig mit.^
Prominentestes christliches Opfer ihres eher innerislamisch ausgerichteten Terrorismus
wurde 1192 Markgraf Konrad von Montferrat, der umstrittene König von Jerusalem.
Schon in seinem Falle kam das Gerücht auf, Auftraggeber der Tat sei ein Christ gewesen,
3 EDUARD WiNKELMANN, Über die angebliche Ermordung des Herzogs Ludwig von Bayern
durch Kaiser Friedrich II. im Jahre 1231, in: MIÖG 17 (1896), S. 48-63. Wichtig ist ferner
die Untersuchung von LEOPOLD HELLMUTH, Die Assassinenlegende in der österreichischen
Geschichtsdichtung des Mittelalters (Archiv für österreichische Geschichte, 134), Wien 1988,
insbes. S. 137-155.
4 AzzzzcZcs SUzcfHarzezzses, in: MGH SS XVII, S. 339f.; Uzsiorzc cpz'scoporzzzzz PHfHuz'czzsz'zzzzz cf dzzczzzzz
Baugn'r, in: MGH SS XXV S. 627 sowie die Azzzzzz/cs S. Rad Arb SzzhsUzryezzses, in: MGH SS IX,
S. 785: „a z? MO dam z'yzzofo". Den Letzteren direkt folgend präzisiert Hermann von Niederaltaich
- später schreibend und offenbar in Kenntnis der Assassinengerüchte - „a zyzzodazzz z'yzzoio
pzzyzzzzo" (Henzzazzzzz TRaizozzsz's Azzzza/es, hg. von Philipp Jaffe, in: MGH SS XVII, Hannover 1861,
S. 381-407, hier: S. 391).
3 Als zeitnah verfasste „Assassinenmord"-Berichte kommen neben den Annalen von St. Pan-
taleon (siehe unten) in Betracht: Adzcrz'clz z'ozz Tzuzs/biziazizes.' CIzz'ozzzczz, hg. von PAUL ScHEFFER-
BoiCHORST (MGH SS XXIII), Hannover 1874, S. 631-950, hier S. 929: „Dzza Bawano LMdowzcMS
a zyzzodazzz sz'can'o Assacz'zzo occz'dz'izzz* a Wien' de Mozzfazza fzrzzzszzzz'sso" und die MciBacher Azzzzaiezz,
ed. SCHMALE, S. 240: ein vom „Sezzex de Mozzfazzz'a" abgesandter Mörder, der allerdings - im
Widerspruch zu anderen Quellen - erst gefangen und ergebnislos gefoltert, dann erst hinge-
richtet wird. Der „Alte vom Berge" geistert auch durch später abgefasste Chroniken, etwa
die Cizrozzz'ca S. Pein Erfbrdczzsz's Modcrzza, in: Monumenta Erphesfurtensia saeculi XII., XIII.,
XIV., hg. von OswALD HoLDER-EGGER (MGH SS rerum Germanicarum in usum scholarum 42),
Hannover 1899, S. 117-364, hier: S. 229 („a sezuo czzz'zzsdazzz yezzfz'iz's zyyz's, zpzz dz'cz'fMr Sezzz'or") und
davon abhängige Quellen, während sich andere Chroniken mit der Kurzversion „per assassz'zzos"
begnügen, welche an die entsprechende Formulierung im Anklageschreiben Innozenz' IV.
gegen Friedrich II. von 1245 angelehnt sein dürfte. Siehe hierzu und im Folgenden auch
jeweils die Quellenüberblicke in BF 11104a sowie bei WiNKELMANN, Ermordung.
^ Vgl. HELLMUTH, Assassinenlegende sowie den geschichtlichen Überblick von BERNARD LEWis,
Die Assassinen. Zur Tradition des religiösen Mordes im radikalen Islam, München 1993
(zuerst 1967). Als „Alten vom Berge" bezeichnet man gemeinhin nicht den Sektengründer
Hassan al-Sabah, der 1124 auf seiner Burg Alamut im persischen Elbursgebirge starb, sondern
den bedeutendsten Assassinenführer in Syrien, den Drahtzieher der Ermordung Konrads von
Montferrat, Sinan ihn Salman (auch: Raschid al-Din, gest. ca. 1194). Sein „Titel" scheint im
abendländischen Verständnis nahtlos auf seine Nachfolger übergegangen zu sein.
 
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