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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0244

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4.1. Das Eingreifen des Kaisers (1231/32)

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nämlich kein Geringerer als Richard Löwenherz/ Vermittelt vor allem durch dieses
spektakuläre Ereignis trat die Assassinenfurcht auch im Abendland ihren Siegeszug an.^
Da nun nach übereinstimmendem Zeugnis der Quellen der Täter nicht befragt oder
anderweitig identifiziert werden konnte, ist seine Kennzeichnung als Assassine letztlich
nicht gesichert und wäre mit einer „Assassinen-Hysterie" durchaus erklärbar.
2. Der Auftraggeber: Wäre der Mörder ein Assassine gewesen, müsste der Verdacht
der Auftraggeberschaft geradezu zwangsläufig auf Friedrich II. fallen, denn dieser un-
terhielt tatsächlich politische Kontakte zu den syrischen Assassinen, die sich aus seiner
Stellung als König von Jerusalem erklären lassen.^ Möglicherweise war der Gedanken-
gang der Chronisten aber genau umgekehrt: Da man Friedrich der Tat verdächtigte
und ihm „alles zutraute", machte man aus dem anonymen einen orientalischen Täter.^
Disqualifiziert sich damit aber zugleich der Verdacht gegen den Kaiser? Er wird in
zahlreichen Quellen geäußert, auch unabhängig von der „Assassinenlegende". Selbst
ein der Feindschaft zum Kaiser unverdächtiger und zudem über „Insiderwissen" des
Königshofes verfügender Autor wie Konrad von Fabaria schreibt: „Als der Kaiser, nach
seiner Versöhnung mit dem römischen Oberhirten, mit Sicherheit in Erfahrung gebracht
hatte, dass der Herzog von Bayern Haupt und Schwanz der gegen ihn erfolgten Ver-
schwörung lenkte, sandte er einen brutalen Meuchelmörder (sz'ccztn'o uz'olenh'ssnuo) aus,
der sich nicht fürchtete, sein Leben gegen den Tod des Herzogs zu setzen, und ließ ihn,
" Enthalten u.a. bei AZ&erz'cZz u. Tfoz's/bzziHz'zzcs, der ja auch das Ereignis von 1231 als Assassinen-
mord deutet, vgl. MGH SS XXIII, S. 969/6ff.: „Rex Azzy/ozTzzzz Rz'cZzarzfrzs z'zz parfzhrzs frazzsznarz'zzz's
zdz'zyMHzntiz'M &zzzorHüzs zzzrzZtouzzzz ozfz'a z'zzcMzvz't, (...) zzMrdzz'sMzzz Cozzrzzthzzzz zz& ocfo Hassaczzzzs z'zztqjzcz
ud pcrzzzz'sz'i ud perszzaszi." Dass die Assassinen auch Auftragsmorde verübten, ist aus der
Geschichte des 12. Jahrhunderts durchaus bekannt, doch wird die Mitwisserschaft Richards in
der Forschung allgemein verneint, vgl. etwa HELLMUTH, Assassinenlegende, S. 54-72; CsENDES,
Heinrich VI., S. 122, und HANS EBERHARD MAYER, Geschichte der Kreuzzüge (Urban-TB, 86),
10. überarb. Aufl., Stuttgart 2005, S. 182.
8 Zur weiteren Entwicklung der Assassinenlegende und speziell zu ihrer Verknüpfung mit der
Person Friedrichs II., welcher in der Weltchronik des Wiener Bürgers Jan Enikel geradezu als
ein neuer „Alter vom Berge" stilisiert wird, vgl. HELLMUTH, Assassinenlegende.
^ Zu Assassinenkontakten Friedrichs während des Kreuzzuges (gemäß orientalischer Quellen)
HELLMUTH, Assassinenlegende, S. 155-159; SiüRNER, Friedrich II., S. 146. Die Anwesenheit
von Gesandten nicht nur des Sultans sondern auch des „Alten vom Berge" auf dem Hoftag
von Ravenna, wo sie zusammen mit den deutschen Fürsten an einer Tafel gesessen haben
sollen, melden die AzmaZes S. PazzfaZeozzz's, in: MGH SS rer. Germ. 18, S. 263, die aber auch
die „Assassinenmord"-Version am ausführlichsten kolportieren, so dass man sich hier argu-
mentativ im Kreis dreht. Dass der Sultan von Damaskus im Jahre 1232 Boten und kostbare
Geschenke schickte, meldet jedoch auch Rz'cZzazd uoz; San Gcrzzzazzo, in: Muratori 7/2, S. 181.
Die orientalischen Kontakte Friedrichs mögen die Phantasie der Zeitgenossen hinsichtlich der
Assassinenlegende befeuert haben - wer wußte als Deutscher wohl schon zwischen Boten des
Sultans oder des „Alten vom Berge" zu unterscheiden.
Allerdings nennen die frühen Vertreter des Assassinenmordversion, Alberich und der Marba-
cher Annalist (oben Anm. 5), keinen möglichen Auftraggeber, an dessen Existenz aber auch
sie geglaubt haben müssen. Alberich schließt an seinen Bericht von der Ermordung des Her-
zogs die Nachricht an, der König von Ungarn habe daraufhin dem „Alten vom Berge" Geld
geschickt, um seine Gnade zu erlangen (MGH SS XXIII, S. 929): „Qzzod azzdz'czzs rcx Hzzzzyan'c
cz'&zzz ucfcrz zzzzzZhz izrzzzszzzz'sz'i z'zz azzro H azyezzio cxczzz'a cf cz'zzs yraizazzz z'zzzpHzTzuz'i H opiz'zzzzz'i." Da
sowohl Ludwig der Kelheimer als auch König Andreas II. am Kreuzzug gegen Damiette
teilgenommen hatten (wenn auch nicht zur gleichen Zeit), erscheint es denkbar, dass Alberich
den Kelheimer Mord gedanklich mit Ereignissen auf dem Kreuzzug in Verbindung brachte.
In diesem Falle fiele der Kaiser als Auftraggeber des Anschlages aus.
 
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