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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0302

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4.2. Relative Stabilisierung der Königsherrschaft (1232/33)

301

König Heinrich (VII.) bot dieser Konflikt die Gelegenheit, sich im Saynschen Ket-
zerprozess als Richter und damit als Retter des Grafen und Gönner der rheinischen
Erzbischöfe, seiner wichtigsten Unterstützer, zu profilieren: Am 25. Juli 1233 begann in
Mainz jener schon erwähnte Hoftag, der den Angriff des vereinigten königlich-fürstlichen
Heeres auf Bayern nach sich zog, und der zugleich von den Erzbischöfen von Mainz
und Trier zur Generalabrechnung mit Konrad von Marburg genutzt wurde.^ Heinrich
von Sayn erschien persönlich vor dem Tribunal des Königs, die Befragung der Belas-
tungszeugen offenbarte die Haltlosigkeit der erhobenen Vorwürfe. Erzbischof Dietrich
von Trier verkündigte zuletzt öffentlich, der Graf von Sayn sei aus dem Verfahren als
„katholischer und unbescholtener Mann" hervorgegangen. Der Ankläger, Konrad von
Marburg, gab dem Druck seiner illustren Feinde freilich nicht nach, noch in Mainz rief
er zum Kreuzzug gegen die Ketzer, vielleicht sogar gegen den Grafen persönlich auf.^5
Der Skandal erreichte schließlich seinen End- und Höhepunkt, als Konrad, der auf eine
königliche Eskorte verzichtet hatte, am 30. Juli auf der Heimreise von mehreren Rittern,
die vielleicht dem von Konrad angeklagten Grafen von Solms nahestanden, erschlagen
wurde.^
Die 1231 ausgelöste „Terrorwelle" gegen Ketzer fand mit dem Tod Konrad von
Marburgs ihr Ende (wenn wir von dem in diesen Zusammenhang gehörenden Stedin-
gerkreuzzug 1234 absehen). „Von da ab hörte jene stürmische Verfolgung auf, und die
äußerst gefahrenträchtigen Zeiten, denen seit den Tagen des häretischen Kaisers Konstan-
tes und des abtrünnigen Julian keine anderen ähnlich waren, begannen in heiterer Milde
zu atmen", jubelt der Fortsetzer der „Gesü? Dass freilich hinter Konrads
Wüten mehr als bloß der fanatische Glaubenseifer eines Einzelnen steckte, zeigte sich an
Ketzeranklage Konrads von Marburg gegen die Kölner Verbündeten spielte somit effektiv den
Gegnern des Erzbischofs in die Hände. Der Krieg um Siegburg endete im Herbst 1233 mit
einem Friedensschluss, der durch die Verheiratung eines (sponheimischen) Neffen Heinrichs
von Sayn mit einer Tochter des 1226 hingerichteten Friedrich von Isenberg, einer Nichte des
Herzogs von Limburg, besiegelt wurde. Dieser Frieden zog den endgültigen Schlussstrich un-
ter die Auseinandersetzungen im Gefolge des Engelbert-Mordes. Vgl. hierzu insbes. MATSCHA,
Heinrich v. Müllenark, S. 223ff.
^4 BF 4287a/88, gut auch REM XXXIII, 99 mit ausführlichen Quellenzitaten (Hauptquellen sind
die Erfurter Predigerannalen und die Gesta Treverorum); dazu insbes. HALBEKANN, Grafen von
Sayn, S. 386f.; PATSCHOVSKY, Ketzerverfolgung, S. 684ff. Unter den in BF 4288 nachgewiesenen
Hoftagsteilnehmern überwiegen Angehörige des weiteren Verwandtschaftskreises um die
Isenburg-Eppsteiner deutlich. Zu ihnen gehören neben den Erzbischöfen von Mainz und Trier
und den Bischöfen von Regensburg und Worms auch Graf Eberhard von Eberstein (der Schwa-
ger Heinrichs von Sayn), Werner von Boianden und Gerlach von Büdingen (ein Onkel von
Erzbischof Siegfrieds isenburgischer Schwägerin) sowie Konrad von Hohenlohe (der Schwager
Gerlach von Büdingens). Da es sich bei diesen Personen, die den der Ketzerei Verdächtigten
verwandtschaftlich nahestanden, um einen auch sonst im Umfeld Heinrichs (VII.) anzutref-
fenden „inner circle" der Macht handelt (zur Rolle Bolandens und Büdingens vgl. etwa nur
HiLLEN, Curia regis, S. 77f. und 81), zeigt sich hier nochmals eindrucksvoll, welch massive
Herausforderung auch gegen den König die Ketzeranklagen des Inquisitors darstellten.
225 AZhcrich u. Trois/bnfaincs, in: MGH SS XXIII, S. 932; Sächsische Wehchronih, in: MGH SS Dt.
Chr. II, S. 249.
22^ HALBEKANN, Grafen von Sayn, S. 387f. Zur Lokalisierung des Mordes in Beltershausen (bei
Marburg), wo später eine vom Deutschen Orden betreute Sühnekapelle errichtet wurde,
vgl. ULRICH REULiNG, Die Ermordung Konrads von Marburg, in: Sankt Elisabeth - Fürstin,
Dienerin, Heilige, S. 470f.
222 Gcsfc Tuvcronun, coni. IV, in: MGH SS XXIV, S. 402 (Übersetzung nach HARTMANN, Frühes
und hohes Mittelalter, S. 416).
 
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