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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0303

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302

4. Ein Königtum auf Abruf. Das Reich zwischen 1231 und 1235

der Reaktion der hinter ihm stehenden Kreise: Bischof Konrad II. von Hildesheim, als
ehemaliger Kreuzprediger ein alter „Kollege" des Marburgers, begann sogleich nach dem
Tode desselben seinerseits das Kreuz gegen die Ketzer zu predigen, worauf Landgraf
Konrad, Heinrich Raspe und einige nordostdeutsche Fürsten das Kreuz nahmen.^
Wenngleich diese Selbstverpflichtung zum Ketzerkampf keine direkten Adressaten nennt,
stellte sie doch zweifellos eine offene Drohgebärde gerade gegen jene dar, die zuvor
ins Visier des Marburgers geraten waren,^ zumal gegen sie ja auch der Verdacht der
Mitwisserschaft an der Mordtat von Beltershausen nahelag. Letztlich blieb die Angele-
genheit in der Schwebe^ - insgesamt aber können die Ereignisse vom Juli 1233 und
die nachfolgende Kreuznahme der Ludowinger als ein weiterer Mosaikstein in der 1231
eingeleiteten Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im thüringisch-mittelhessischen
Raum gelten, welche Ende 1233 vielleicht vollends zu eskalieren drohte. Der große
Hoftag im Februar 1234 in Frankfurt brachte hier letztlich die Entscheidung und eine
gewisse Entspannung - ein Triumph der Erzbischöfe und des Königs, welcher aber für
den Letzteren zugleich die Peripetie seiner Königsherrschaft bildete.

228 Kreuzpredigt des Hildesheimers: Azzzz. Erpizord./r. Przzed., in: MGH SS rer. Germ. 42, S. 84. Das
besondere Engagement Landgraf Konrads, des direkten Antagonisten Erzbischof Siegfrieds III.,
geht schon aus einer päpstlichen Inschutznahme vom 20./23.10.1233 hervor, zu deren Exekutor
der Hildesheimer bestellt wurde, vgl. AuvRAY, Registres de Gregoire IX., Bd. 2, Nr. 1556/58
(BF 6995). Siehe auch WERNER, Reichsfürst, S. 169f.
^9 Da es im folgenden nicht zum Ausbruch offener Feindseligkeiten etwa zwischen dem Land-
grafen und Sayn kam, wird im Netzwerkmodell die Beziehung zwischen den „Ketzern" und
„Kreuzfahrern" nur auf den indifferenten Neutralitätsstatus gesetzt. Zu berücksichtigen ist
auch, dass Ludowinger und Wettiner über die Frau Heinrichs III. von Sayn, Mechthild, mit
dem Saynschen Grafenhaus verschwägert waren, eine Beziehung, die in den 1230er Jahren
freilich keine erkennbare positive Wirkung mehr zeitigte. Im Netzwerkmodell bewirkt somit
die Kreuznahme der ostdeutschen Fürsten, dass die über Sayn laufende Brücke zwischen den
ostdeutschen Fürsten und der Kölner Klientel (siehe Farbtafel 15 und die Erläuterungen auf
S. 287f.) geschleift wird.
230 Die Uneindeutigkeit der Situation zeigt sich schon im Verhalten des Papstes, der noch im
Oktober die Erzbischöfe von Mainz und Trier zum Ketzerkampf aufforderte (BF 6996), welcher
sich doch zuletzt gegen deren eigene „zzzzzz'cz" gerichtet hatte. Am 31.10.1233 bannte der Papst
die Mörder des Ketzerrichters, bestimmte aber mit dem Erzbischof von Mainz und dem Bischof
von Hildesheim zwei Exekutoren, die in ihrer Haltung gegenüber dem Ermordeten kaum
gegensätzlicher hätten eingestellt sein können. Immerhin dürfte die päpstliche Politik damals
tendenziell eher gegen Mainz gerichtet gewesen sein, denn die päpstliche Inschutznahme des
Landgrafen Konrad (siehe oben Anm. 302) stellte für diesen einen ggf. gegen den Erzbischof
zu wendenden politischen Vorteil dar. Zur wütenden Reaktion des Papstes auf die Ermordung
Konrads von Marburg, die eine gewisse Spitze gegen Mainz und Trier erkennen lässt, vgl.
den Bericht der Ezytzrfcr PredzyerHzzzzzzLzz, in: MGH SS rer. Germ. 42, S. 85f.; dazu PATSCHOVSKY,
Ketzerverfolgung, S. 686f.
 
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