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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0370

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5.3. Nach dem Paradigmenwechsel: Das Reich und die Fürsten

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5.3.2. Westdeutsche gegen ostdeutsche Fürsten?
Erstmals 1231/32 zeichnet sich in unserem Netzwerkmodell eine politische Konstel-
lation ab, deren grundsätzliche strukturelle Bedeutung für die Politik der folgenden
Jahrzehnte näher zu untersuchen wäre: der Dualismus westdeutscher Fürsten, vor allem
der rheinischen Erzbischöfe, und der großen ostdeutschen Dynasten. Beide Gruppen
sind intern verwandtschaftlich verbunden, die Erzbischöfe durch ein weitmaschiges
mittelrheinisches Adelsnetzwerk, die ostdeutschen Fürsten durch direkte Heiratsbünd-
nisse. Friedrich II. hat sich dabei zumeist auf die ostdeutschen Fürsten, Heinrich (VII.)
hingegen auf die Erzbischöfe gestützt, manche Akteure schwanken etwas zwischen den
Lagern, etwa Böhmen, das, wie Pfalz-Bayern, lange westdeutsch eingebunden ist und
um 1234, genau wie Bayern, einen Schwenk ins ostdeutsche Lager vollzieht (während ihr
Antagonist Österreich zeitweise isoliert wird). Es sind dies Konstellationen, die offenbar
eine längere Dauer besitzen. Denn nach 1241 bilden die rheinischen Erzbischöfe den
Kern der antistaufischen Opposition, während Friedrich die ostdeutschen Dynasten
zumindest weitgehend neutral halten kann. Wilhelm von Holland ist zuerst ein west-
deutscher Herrscher, seiner Versöhnung mit den ostdeutschen Fürsten im Gefolge der
Braunschweiger Hochzeit (1252) folgt hingegen der Bruch mit den Erzbischöfen. Und
auch die Doppelwahl von 1257 lässt eine west-ostdeutsche Frontenbildung erkennen.
Über die Gründe und die Bedeutung dieses nicht eindeutigen, aber doch immer wieder
hervorscheinenden „Lagerantagonismus" wäre weiter nachzudenken, zumal sich gerade
hier eine wesentliche Entstehungsbedingung für das Interregnum abzuzeichnen scheint.
Möglicherweise liegt ihm eine ganz grundsätzliche Dualität der herrschaftlichen Verfasst-
heit Deutschlands zugrunde: im Westen eine vergleichsweise Kleinräumigkeit adliger
Herrschaften, innerhalb derer die rheinischen Kirchenfürsten ein Übergewicht behaupten
konnten (selbst Brabant konnte sich dieser Gravitationswirkung lange nicht entziehen),
im Osten stärker flächige Gebilde, die insbesondere die geistlichen Fürstentümer schon
stärker zu „mediatisieren" vermochten.

5.3.3. Fürstliche Klientelverbände 1225 bis 1235
Über die Konstatierung eines allgemeinen Ost-West-Gegensatzes hinaus, lässt sich eine
verfeinerte Strukturübersicht über das „Netzwerk Reich" dadurch erlangen, indem wir
die Stabilität der über jeweils ein Jahr stabilen Kerngruppen (Farbtafel 18) über den
ganzen Untersuchungszeitraum hinweg prüfen. Das Ergebnis dieser durch ein einfaches
Überblendverfahren bewerkstelligten Analyse ist in Farbtafel 19 dargestellt.^ Sechs
Klientelverbände sind demnach zu unterscheiden:
Im Westen existiert in sehr deutlicher Ausprägung ein Kölner Klientelverband
(blau), in dem insbesondere Geldern, Sayn, Paderborn und Osnabrück dem Erzbischof
sehr nahe stehen. Dieses Ergebnis ist angesichts des allgemeinen Kenntnisstandes über
die Verhältnisse im Machtbereich des Kölners nicht überraschend. Weniger dürfte der
34 Geprüft wird hierbei, wie oft innerhalb der 11 Jahre des Untersuchungszeitraums Akteure
jeweils in einem Kerngruppenzusammenhang stehen. Dies ist nirgends für die gesamten
11 Jahre durchgängig der Fall, wohl aber beobachten wir Fälle von bis zu 8-9 Jahren gleicher
Kerngruppenzugehörigkeit. In der Farbtafel wird diese übereinstimmende Kerngruppenzuge-
hörigkeit durch gleiche Färbung symbolisiert, Akteure, die häufiger nicht zu einer Kerngruppe
gehören oder zwischen zwei Kerngruppen changieren, sind durch weiße Randfärbung oder
durch einen andersfarbigen Rand gekennzeichnet.
 
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