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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0372

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5.3. Nach dem Paradigmenwechsel: Das Reich und die Fürsten

371

5.3.4. Das „Wittelsbacherproblem"
Ein politischer Krisenherd, der bisher keine angemessene Berücksichtigung in der For-
schung gefunden hat, hat sich im Laufe der Untersuchung als überwölbendes Motiv der
Reichspolitik und insbesondere des sich entwickelnden staufischen Vater-Sohn-Konflikts
herauskristallisiert, das „Wittelsbacherproblem". Eminent wichtige politische Maßnah-
men von Kaiser und König zwischen 1225 und 1235 kreisen genau um diesen Punkt.
Festzustellen ist, dass Friedrich (spätestens) seit 1225 eine antiwittelsbachische Politik
verfolgt hat, während Heinrich, mit einer kurzen Ausnahme 1229, sich zum Teil sehr
eng an die Wittelsbacher anlehnte. Erst 1234/35 schlug der Kaiser einen radikal anderen
Kurs ein, was sich aus seinem politischen Ziel, den Sohn auszuschalten, erklärt.^
Unerörtert muss an dieser Stelle bleiben, wo diese grundsätzliche Abneigung des
Kaisers eigentlich herrührte. Es scheint so zu sein, dass Friedrich vor allem ein totales
Übergewicht der Wittelsbacher im Reich fürchtete, welches sich mit dem wittelsbach-
welfischen Ehebündnis anzubahnen schien: Die gelungene Ablösung der Welfen in der
Pfalz und die drohende Übernahme selbst von deren sächsischen Positionen nach 1227
hätte die Wittelsbacher in eine Stellung einrücken lassen, die selbst diejenige Heinrichs
des Löwen vor 1180 noch übertroffen hättet Somit war ein Ausgleich mit den Wittelsba-
chern für Friedrich auch erst in dem Moment möglich, als durch das Übereinkommen
mit Otto dem Kind (gegen das sich Kaiser und König acht Jahre lang gewehrt hatten, weil
sie hier auch Eigeninteressen verfolgten) die Gefahr eines Ausgreifens der Wittelsbacher
nach Norden gebannt war. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis zu
Mainz: Standen Mainz und Bayern anfangs durchaus im Einvernehmen und stützten sie
gemeinsam Heinrich (VII.), verkomplizierte sich das Verhältnis 1227 und wurde später
durch das in seiner konkreten Entstehung immer noch rätselhafte Lorscher Problem
nachhaltig belastet, was insbesondere nach 1235 zu einer schweren Hypothek für die
Reichspolitik werden sollte.

5.3.5. Heinrich und Friedrich - Könige „am Gängelband der Fürsten"?
Die Betonung des konsensualen, ja fast Reskriptcharakters der Herrschaft der Stauferkö-
nige legt die Frage nahe, welche eigenständige Rolle wir den Königen überhaupt noch
zubilligen wollen. Durchweg haben wir versucht, die politische Haltung des Königs
daraus abzuleiten, mit welchen Fürstenparteien er im Bündnis stand, was jeweils durch
eine entsprechende Tendenz der königlichen Entscheidungen zu beglaubigen war. Und
merkwürdigerweise erscheint in dieser Darstellung gerade Friedrich II. als ein Herrscher,
38 Das Bündnis zwischen dem Kaiser und Otto dem Erlauchten 1235 sowie die Ernennung
Ludwig des Kelheimers zum Reichsverweser 1226 (zu deren Hintergründen vgl. das Kap. 2.7)
haben das Forschungsurteil in dieser Frage nachhaltig verwirrt: Der Umstand, dass Friedrichs
Politik bis 1235 stark antiwittelsbachisch war, konnte auf diese Weise leicht ignoriert werden.
39 Die Verlobung Ottos des Erlauchten mit der Pfalzgrafentochter Agnes, die die Grundlage für
die wittelsbachischen Erbansprüche geschaffen hatte, war 1212 in einer Situation zustande
gekommen, als Kaiser Otto IV. wegen der Erfolge Friedrichs II. auf die Unterstützung des
Bayernherzogs dringend angewiesen war. Auch Friedrich, auf dessen Seite der Wittelsbacher
kurz darauf überging, musste in der weiter bestehenden reichspolitischen Konkurrenzsituation
dieses Arrangement anerkennen, was nach dem frühen Tod von Agnes' Bruder Heinrich
1214 zum Übergang der Rheinpfalz in wittelsbachische Hände führte. Vgl. hierzu zuletzt
WEiNFURTER, Verträge, insbes. S. 26f. und 33. Es ist naheliegend, dass der Kaiser ein weiteres
Anwachsen der wittelsbachischen Macht eigentlich unter allen Umständen verhindern wollte.
 
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