II. Die Grafschaft Burgund bis zum Jahr 1180
II. 1) Die Vorgeschichte der Grafschaft Burgund
Wer sich im Bereich der mittelalterlichen Geschichte mit dem etrange puzzle™
Burgund beschäftigt ist gleichsam zwangsläufig angehalten zu präzisieren,
welcher mit diesem, in die Epoche der sogenannten Völkerwanderung zurück-
reichenden, und zugleich im kollektiven Gedächtnis der Deutschen durch die
Nibelungensage noch heute mythisch aufgeladenen Namen versehenen politi-
schen Einheit genau die Aufmerksamkeit zukommen soll.184 185 Im Hochmittelalter
waren es deren drei, die diese Bezeichnung führten: ein Königreich, ein Her-
zogtum und nicht zuletzt eine Grafschaft.186
Das Herzogtum Burgund, westlich des Flusses Saöne gelegen, und seit
dem bedeutsamen Verduner Teilungsvertrag von 843 kontinuierlich dem west-
fränkischen Einflussgebiet unterstehend, rückt aufgrund dieses separaten, aber
keineswegs vom übrigen Burgund isolierten Schicksals für die folgenden Aus-
führungen etwas zur Seite,187 wohingegen die geschichtliche Entwicklung des
Königreiches Burgund und der diesem zugehörigen gleichnamigen Grafschaft in
vorstaufischer Zeit an dieser Stelle kurz zu skizzieren ist.
Die komplexe Historie des Königreiches Burgund, das im Laufe des
10. Jahrhunderts erst entstehen sollte, zeichnet sich bis ins spätere Mittelalter -
dann unter der Bezeichnung Arelat - durch eine verwirrende Folge von Teilun-
gen, Übernahmen und territorialen Neukompositionen aus. Ausgehend von der
im Jahre 534 erfolgten fränkischen Eroberung des Burgunderreiches an der
Rhone, verbrachte der zum größten Teil romanischsprachige und ungefähr von
den Südhängen der Vogesen, dem heutigen Schweizer Mittelland, den Westal-
pen, sodann der provenzalischen Mittelmeerküste und den Landschaften ent-
lang von Rhone und Saöne umschriebene Raum die Jahrhunderte des frühen
Mittelalters als ein Teilreich unter merowingischer und daran anschließend ka-
rolingischer Herrschaft. Als Folge der Desintegration des Mittelreiches Lotha-
ringien bildeten sich in den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts zwei selb-
ständige regna heraus, namentlich das nördliche Hochburgund und das die
184 Locatelli, Frederic 1er et le royaume, S. 169.
185 Zum Burgund-Begriff vgl. Heinemann, Untersuchungen zur Geschichte I, S. 54-62 Abs. „Bur-
gund als Landschaftsname und politischer Begriff"; Karl H. Flatt: Die Errichtung der Bemischen
Landeshoheit über den Oberaargau, Exkurs 2: Zum Begriff Burgund, in: Archiv des Historischen
Vereins des Kantons Bem 53 (1969), S. 355-364; zum Burgund(er)-Mythos vgl. überblicksartig
Reinhold Kaiser: Die Burgunder (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 586), Stuttgart 2004,
S. 200-205.
186 Vgl. Locatelli, Frederic 1er et le royaume, S. 169-171.
187 Zur Etablierungsphase des Herzogtums Burgund bis ins 11. Jahrhundert vgl. Walther Kienast:
Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland (9. bis 12. Jahrhundert), München/Wien 1968,
S. 85-106.
II. 1) Die Vorgeschichte der Grafschaft Burgund
Wer sich im Bereich der mittelalterlichen Geschichte mit dem etrange puzzle™
Burgund beschäftigt ist gleichsam zwangsläufig angehalten zu präzisieren,
welcher mit diesem, in die Epoche der sogenannten Völkerwanderung zurück-
reichenden, und zugleich im kollektiven Gedächtnis der Deutschen durch die
Nibelungensage noch heute mythisch aufgeladenen Namen versehenen politi-
schen Einheit genau die Aufmerksamkeit zukommen soll.184 185 Im Hochmittelalter
waren es deren drei, die diese Bezeichnung führten: ein Königreich, ein Her-
zogtum und nicht zuletzt eine Grafschaft.186
Das Herzogtum Burgund, westlich des Flusses Saöne gelegen, und seit
dem bedeutsamen Verduner Teilungsvertrag von 843 kontinuierlich dem west-
fränkischen Einflussgebiet unterstehend, rückt aufgrund dieses separaten, aber
keineswegs vom übrigen Burgund isolierten Schicksals für die folgenden Aus-
führungen etwas zur Seite,187 wohingegen die geschichtliche Entwicklung des
Königreiches Burgund und der diesem zugehörigen gleichnamigen Grafschaft in
vorstaufischer Zeit an dieser Stelle kurz zu skizzieren ist.
Die komplexe Historie des Königreiches Burgund, das im Laufe des
10. Jahrhunderts erst entstehen sollte, zeichnet sich bis ins spätere Mittelalter -
dann unter der Bezeichnung Arelat - durch eine verwirrende Folge von Teilun-
gen, Übernahmen und territorialen Neukompositionen aus. Ausgehend von der
im Jahre 534 erfolgten fränkischen Eroberung des Burgunderreiches an der
Rhone, verbrachte der zum größten Teil romanischsprachige und ungefähr von
den Südhängen der Vogesen, dem heutigen Schweizer Mittelland, den Westal-
pen, sodann der provenzalischen Mittelmeerküste und den Landschaften ent-
lang von Rhone und Saöne umschriebene Raum die Jahrhunderte des frühen
Mittelalters als ein Teilreich unter merowingischer und daran anschließend ka-
rolingischer Herrschaft. Als Folge der Desintegration des Mittelreiches Lotha-
ringien bildeten sich in den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts zwei selb-
ständige regna heraus, namentlich das nördliche Hochburgund und das die
184 Locatelli, Frederic 1er et le royaume, S. 169.
185 Zum Burgund-Begriff vgl. Heinemann, Untersuchungen zur Geschichte I, S. 54-62 Abs. „Bur-
gund als Landschaftsname und politischer Begriff"; Karl H. Flatt: Die Errichtung der Bemischen
Landeshoheit über den Oberaargau, Exkurs 2: Zum Begriff Burgund, in: Archiv des Historischen
Vereins des Kantons Bem 53 (1969), S. 355-364; zum Burgund(er)-Mythos vgl. überblicksartig
Reinhold Kaiser: Die Burgunder (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 586), Stuttgart 2004,
S. 200-205.
186 Vgl. Locatelli, Frederic 1er et le royaume, S. 169-171.
187 Zur Etablierungsphase des Herzogtums Burgund bis ins 11. Jahrhundert vgl. Walther Kienast:
Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland (9. bis 12. Jahrhundert), München/Wien 1968,
S. 85-106.