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Regenbogen, Clemens; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [Mitarb.]
Das burgundische Erbe der Staufer (1180-1227): zwischen Akzeptanz und Konflikt — Mittelalter-Forschungen, Band 61: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.58976#0348
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V. Aushandlung
Nachdem im vorangegangenen Kapitel IV die Durchsetzung des staufisch-an-
dechsischen Anspruchs auf politische Überordnung erstens auf seine Akzeptanz
sowohl durch geistliche Kommunitäten als auch durch den burgundischen Adel
und zweitens anhand der staufisch-andechsischen Herrschaftspraxis überprüft
wurde, soll im Nachfolgenden gezeigt werden, wie es den Pfalz grafen gelungen
ist, ihren Anspruch in der direkten Auseinandersetzung mit ihren politischen
Mitbewerbern durchzusetzen und ihm zur Anerkennung zu verhelfen. Hierbei
wird sich für eine im Wesentlichen chronologische Vorgehensweise entschieden.
Zum einen, da die Ereignisfolge unter Pfalzgraf Otto I. einer grundlegenden
Rekonstruktion und Neudeutung bedarf, während zum anderen die Vorgänge
um die Grafschaft Burgund im Falle seiner Witwe Margarethe und seines
Schwiegersohnes Otto II. nicht zuletzt angesichts neuer Quellenfunde erstmals
überhaupt in aller Ausführlichkeit darzulegen sind. Das in Burgund für die Zeit
um 1200 nördlich der Alpen vergleichsweise reiche Vorhandensein detaillierter
schriftlicher Verträge zwischen weltlichen Partnern erleichtert dieses Vorhaben.
V.l) Die Konflikte Pfalzgraf Ottos I. von Burgund
Eingangs der Studie ist kurz angerissen worden, wie sehr die Regentschaft
Pfalz graf Ottos I. von Burgund in eine ganze Reihe politischer Auseinanderset-
zungen verstrickt war, mitunter äußerster Schärfe, die Gewaltausbrüche mit
Todesfolge zeitigten. Es handelte sich offenbar um alles andere als eine aner-
kannte, in ruhigen Bahnen verlaufende Herrschaft. Nicht nur einmal, sondern
insgesamt dreimal, so wird überliefert, tötete der staufische Fürst binnen einer
recht kurzen Zeitspanne von circa zweieinhalb Jahren einen Adligen! Was genau
spielte sich zwischen den beteiligten Personen ab? Eine zeitliche Kumulation
verschiedener oder verknüpfter Fehden? Eine Mordserie? Eine Verschwörung?
Besonders eindrücklich wirkt das extreme Vorgehen des staufischen Pfalz-
grafen vor dem Hintergrund der von Gerd Althoff1824 aufgewiesenen Existenz
ausgeklügelter Wege zur Deeskalation und gütlichen Bewältigung politischer
Konflikte im Mittelalter. Die entscheidende Frage lautet mithin: Weshalb funk-
tionierten im Rahmen der Auseinandersetzungen Pfalzgraf Ottos I. und seiner
getöteten Gegner die seinerzeit vorhandenen Deeskalationsmechanismen nicht
oder nicht mehr?
Sind Ottos Tötungen in den Kontext eines an der Wende vom 12. zum
13. Jahrhundert im Reich bemerkbar werdenden veränderten Klimas der poli-
tischen Kultur zu stellen, in welchem Gewalt, Anschläge und Morde gleichsam
„hoffähig" wurden? Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den politische

1824 Vgl. Kap. 1.1, S. 18.
 
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