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Regenbogen, Clemens; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [Mitarb.]
Das burgundische Erbe der Staufer (1180-1227): zwischen Akzeptanz und Konflikt — Mittelalter-Forschungen, Band 61: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.58976#0349
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V. Aushandlung

Beben erzeugenden Lütticher Bischofsmord von 1192, das Ende von Pfalz graf
Ottos eigenem Bruder, Herzog Konrads II. von Schwaben 1196, oder an den
Bamberger Königsmord des Jahres 1208, dem Ottos jüngster Bruder Philipp
erliegen sollte. Oder ist, analog etwa zu einer im Königreich Sizilien nachge-
wiesenen, abweichenden politischen (Straf-)Kultur, in der konkreten Konflikt-
führung Pfalzgraf Ottos mit spezifischen regionalen Einflüssen burgundischer
respektive französischer Provenienz zu rechnen?1825
Bislang wurde von der Forschung zum Begreifen des außergewöhnlich ne-
gativen Gebarens die am Anfang der Arbeit anklingende, psychologisierende
Spekulation auf einen abgründigen und grausamen Charaktertypus des Staufers
angeführt.1826 Dieser Erklärungsansatz wurde jedoch in gewisser Weise abgelöst
durch ein Zurückführen der Gewaltspitzen auf der Politik Ottos von Burgund
innewohnende, unilateral expansionistische Züge. Einige Beispiele aus der
neueren Literatur mögen hier genügen:
So befand Franz Xaver Vollmer 1951: „Eine ehrgeizige und ausschließlich
territorialpolitisch akzentuierte Machtpolitik, von der sein kluger Vater noch
weit entfernt war, wird ihn rasch in Gegensatz mit den wichtigsten einheimi-
schen Kräften bringen."1827 Jean-Yves Mariotte zufolge führte der Pfalz graf im
Elsass „une politique aventurieuse qui suscite bien des ennemis aux Hohen-
staufen."1828 Im Anschluss an Theodor Mayer urteilte der neuseeländische His-
toriker Peter Münz 1969 „[...] one sees that he did not murder for pleasure or
profit, but for political reasons: his victims were all members of the Alsatian and
Lotharingian nobility who were reluctant to be subjected to the new territorial
state which Otto was trying to establish."1829 Für die französischen Historiker
Roland Fietier und Rene Locatelli stand in den 1970er Jahren fest, dass es Otto
war, „qui eut l'ambition de se tailler une vaste principaute allant du Jura ä l'Al-
sace comprise."1830 Locatelli untermauerte diese Sicht der Dinge nochmals in
einem 1998 erschienenen Beitrag:
„Othon 1er, fils de l'empereur et heritier du comte de Bourgogne (1189-
1201) qui s'intitule palatin, manifeste aussitöt des pretentions qui
bouleversent le bei equilibre des pouvoirs edifie precedemment et re-
posant essentiellement sur l'attachement de la noblesse ä leur suzerain:
en cherchant ä constituer ä son profit une grande principaute unissant
la Bourgogne ä l'Alsace [...]."1831

1825 Für einen Einbezug regionaler Rahmenbedingungen in die Analyse von Konflikten plädiert
nachdrücklich Knut Görich: Kommentar [Konflikte], in: Bernd ScHNEiDMüLLER/Stefan Weinfurter/
Alfried Wieczorek (Hrsg.): Verwandlungen des Stauferreichs. Drei Innovationsregionen im
mittelalterlichen Europa, Darmstadt 2010, S. 210-218.
1826 Vgl. Kap. 1.2, S. 21, Anm. 30.
1827 Vollmer, Reichs- und Territorialpolitik, S. 91.
1828 Mariotte, Les comtes de Bourgogne, S. 75.
1829 Münz, Frederick Barbarossa, S. 334-335, Anm. 4.
1830 Locatelli/Fietier, Naissance et essor, S. 139-140.
1831 Locatelli, Les Montfaucon-Montbeliard, S. 107.
 
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