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Regenbogen, Clemens; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Jan Thorbecke Verlag [Contr.]; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [Contr.]
Das burgundische Erbe der Staufer (1180-1227): zwischen Akzeptanz und Konflikt — Mittelalter-Forschungen, Band 61: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.58976#0014
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I. Einleitung

LI) Thematische Hinführung
In den sogenannten Marbacher Annalen, einem erstrangigen Zeugnis elsässi-
scher Geschichtsschreibung des Hochmittelalters, wird im Jahresbericht zu 1197
eine dramatische Begebenheit mitgeteilt:
Eodem anno cum treuge inter comitem Ottonem et episcopum Argentinensem
eorumque fautores essent date, Otto comitem Ulricum de Phirrete in colloquio
quodam, in quo de concordia pacis et societatis inter eos tractabatur, dolo et
insidias pridie ante mortem imperatoris occidit; de qua re non solum inimicis,
verum etiam quibusdam ex amicis odibilis fuit.1
Nachdem also Waffenstillstände zwischen dem Grafen Otto und dem Bischof
von Straßburg sowie deren Parteigängern abgeschlossen worden seien, habe
Otto den Grafen Ulrich von Pfirt (Ferrette, Dep. Haut-Rhin) gelegentlich eines
Kolloquiums, in dem über die Übereinkunft eines Friedens und Bündnisses
zwischen ihnen verhandelt worden sei, am Tage vor dem Tod des Kaisers mit List
und aus dem Hinterhalt heraus getötet; aufgrund dessen sei Otto nicht nur
seinen Feinden, sondern auch einigen seiner Freunde hassenswert geworden.
Es ist diese eine verstörende Nachricht, berichtet sie doch nicht allein von
einem für das Opfer völlig unerwarteten Gewaltausbruch. Als Mediävist des
21. Jahrhunderts daran gewöhnt, politisches Handeln im Mittelalter durch die
Brille eines Spektrums von „Spielregeln" zu betrachten, bedeutete der fatale
Hergang dieser Zusammenkunft zweier Adliger zur Beilegung eines voraus-
gehenden, offenbar kriegerischen Konflikts einen enormen Verstoß gegen
ebenjene „Spielregeln". Der Täter, der staufische Pfalzgraf Otto I. von Burgund
(1170-1200), erlangte nicht zuletzt wegen der Schilderung jener Untat, aber auch
aufgrund weiterer Quellenaussagen den hartnäckigen Leumund einer sinistren
Gestalt mit rücksichtlosen Charakterzügen. Und dennoch stellt sich die Frage,
was genau sich jedoch in den letzten Jahren des 12. Jahrhunderts im Raum um
die Burgundische Pforte, damals einer jungen Interessenssphäre der staufischen
Herrschaft, im Hintergrund ab spielte? Welche Motive führten Otto zu diesem
äußerst brutalen Vorgehen? Entsprach es möglicherweise gar zeitgenössischen
burgundischen Usancen?
Die unmittelbaren Folgen dieses Mordanschlags waren für die staufische
Herrschaft im Elsass und im angrenzenden Burgund jedenfalls verheerend, wie
die „Marbacher Annalen" im weiteren Verlauf ihrer Jahresberichte mitteilen.
Allerdings sollte es dabei nicht bleiben, denn der Funke der Empörung sprang
von der Region alsbald auf die Reichsebene über, zumal sich nunmehr eine

1 Annales Marbacenses qui dicuntur, hrsg. v. Hermann Bloch (MGH SS rer. Germ. 9), Hannover/
Leipzig 1907, S. 70.
 
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