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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

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Nr. 4
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Bunney, Michael: Zu den Neubauten von E. Turner Powell
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https://doi.org/10.11588/diglit.23633#0249
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ZU DEN NEUBAUTEN VON E. TURNER POWELL

V Ohne Zweifel ist das Bestreben der bedeutendsten
britischen Architekten unserer Zeit darauf gerichtet,
auch in ihren Arbeiten jenen eigentümlichen, am
besten wohl mit „reserviert“ bezeichneten, National-
charakter zum Ausdruck zu bringen, der den besten
Schöpfungen der alten englischen Architektur den
Stempel der Individualität aufdrückte. Denn ob-
wohl, allgemein gesprochen, die Kunst international
ist, beschränken dennoch gesellschaftliche und
klimatische Verhältnisse den Gesichtskreis des
Künstlers. Die Folge davon ist lokale Eigenart, die
aber gerade und besonders in der Architektur das
hervorbringt, was wir an den guten Arbeiten aller
Zeiten bewundern. In unseren Tagen tritt, mangels
einer gefestigten Ueberlieferung, nur allzu leicht ein
gekünsteltes Suchen nach den Ueberbleibseln der
Tradition an die Stelle gesunder Weiterentwicklung,
dessen Auswüchse man nicht scharf genug verur-
teilen kann. Diese Gesichtspunkte muss man bei
der Betrachtung von Turner Powells Arbeiten im
Auge behalten. Auf einwandfreien Traditionen
fussend, ist es ihm doch gelungen, eigene Erfindung
und Ursprünglichkeit zu wahren, ohne dabei eng-
lische Empfindungen und englische Art zu verlieren.
Alles dies vereint er mit einer peinlichen Sorgfalt

in der Verwendung des Materials am rechten Platze,
wobei er ebenso sehr auf die Brauchbarkeit, als
auch auf die künstlerische Wirkung sieht. V
V Bei Great House Court, dem jüngsten der beiden
abgebildeten Häuser, ist die architektonische Wir-
kung, malerisch auf der einen und symmetrisch auf
der andern Seite, mehr durch die schöne, tech-
nische Ausnützung des verwendeten Materials als
durch ausgesprochene Anlehnung an einen der
überlieferten Baustile erreicht. Das Haus atmet
Ruhe, ist anheimelnd und statt seine Persönlichkeit
aufzudrängen, scheint es sich den Bedürfnissen der
Bewohner anzupassen. Trotzdem ist es keine Ar-
beit, an der man nur negative Eigenschaften finden
könnte, im Gegenteil, die vorzüglichen Verhältnisse
der Baumassen an der Gartenseite, die wohlerwogene
Unabhängigkeit von Haus und Garten, sind Ver-
dienste positiver Art. Die Pläne sind bei den
Häusern typisch für das englische Landhaus, viel-
gestaltig und geräumig, auch in den Nebengelassen,
und dem Nordwinde den Rücken wendend. Mit
der den Engländern charakteristischen Vernach-
lässigung der Repräsentation nach aussen hin,
liegen die architektonisch interessanten Teile der
Häuser in der Hauptsache nach der Gartenseite.
Michael Bunney-London


Haus „Ardmillan“, Grundriss
 
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