Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:
Halm, Philipp Maria: Richard Berndl
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23633#0597
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

VI


MODERNE BAUFORMEN
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR


RICHARD BERNDL
VON DR. PHILIPP MARIA HALM-MÜNCHEN

Der Name Richard Berndl ist in dem Kreise
der Architekten, zumal Münchens kein frem-
der oder neuer mehr. Der edle und kostbare Bau
eines Mausoleums für den Grafen Andrässy in
Kraszno-Horka Varalja im Komitat Gömör in Ungarn
hat ihn mit einem Schlage bekannt gemacht. Es
war sein Erstlingswerk — wenigstens das erste
grössere — trotz allem aber eine reife abgeklärte
Schöpfung, der man die Jugend ihres Autors nicht
ansah; man konnte sie höchstens in dem kühnen
Wagemut, mit dem er sich über alle Tradition hin-
wegsetzte, ahnen. Bis vor kurzem war Berndl nicht
mehr mit einer ähnlichen grossen Leistung hervor-
getreten, erst der jüngst vollendete Bau des Hotels
Union — Katholisches Kasino — in München rief
seinen Namen in die Erinnerung zurück. Es handelte
sich hier aber nicht so sehr um eine Neuschöpfung
von Grund aus als vielmehr um einen Umbau, dem
zahllose Fesseln angelegt waren. Dass man ihrer
Last und ihres Zwangs auch nicht im mindesten
gewahr wird, ist Berndls ungeschmälertes Verdienst.
Dort in Kraszno-Horka-Varalja war freie Bahn ge-
geben, hier aber war ihm in vielen Punkten eine
ängstlich gebundene Marschroute vorgezeichnet. Es
gehörte aussergewöhnliche Beherrschung aller er-
denkbaren technischen und künstlerischen Faktoren
dazu, um der schwierigen Aufgabe gerecht zu werden,
die in ihrem vollen Umfange nur der zu ermessen
imstande ist, der den alten Bau kannte. Wer würde
in dem jetzigen Festsaal noch den scheunenähn-
lichen Raum mit den eisernen Ständern wieder-
erkennen! Wie raffiniert hat Berndl schwierige
Höhenverhältnisse durch alle möglichen Kniffe von
Deckenbildungen zu beseitigen gewusst, welch
lustige Ecken und Kojen konstruierte er aus toten
Winkeln! Alles fügt sich selbstverständlich, gemüt-
lich und zweckmässig ein. Der Architekt hat es
verstanden, überall aus der Not eine Tugend zu
machen. sj

V Berndl ist, das erkennt der erste Blick auf seine
Bauten, Münchner, aber wir sehen ihn nicht, wie
so viele Andere und auch Tüchtige in der Gefolg-
schaft eines der grossen Architekten, sondern un-
bekümmert um alles, was um ihn vorgeht, tritt er
an seine Aufgaben heran. Sein Stil ist ein ausge-
sprochen persönlicher. Frei von jeder direkten oder
indirekten Anlehnung an Altes oder Neues, sucht
er seine Lösungen aus den gegebenen Punkten zu
konstruieren in Formen, die in ihrem architekto-
nischen Gehalt kaum mehr als die unumgänglichsten
aber auch die zweckmässigsten Grundformen bieten
und doch nichts von jener Kälte und puritaner-
haften Nüchternheit an sich tragen, mit denen man
eine Zeitlang den neuen Stil gefunden zu haben
glaubte. V
V So gewinnt man denn auch bei der Fassade des
Hotels Union in ihrer einfachen Auflösung in drei
Risalite und vier Geschosse, über die ein breites
Gesims vorkragt, keineswegs den Eindruck des
Primitiven, sondern vielmehr einer aus grossen
Dominanten und wenigen geschickt verteilten
Schmuckgliedern erzeugten Monumentalität. Nie-
mals aber tritt Berndl schwer und wuchtig auf,
aufdringliches Betonen einer tektonischen Funktion
ist ihm durchaus fremd; es würde das seinem
Hauptbedürfnis, die Massen einheitlich zusammen-
zubinden, durchaus widerstreben. Im grossen Saal
des Hotels Union beschränkt er sich deshalb ledig-
lich auf die elegante Cäsur der Baikone und die
Kassettierung der Decke über den Bogen. Das
verleiht dem Saal im Vereine mit der feinen Stim-
mung Weiss-Grün-Gold bei aller feierlichen Wirkung
doch auch zugleich einen festlich frohen Charakter.
Wie in diesem Saale hat Berndl auch in allen
anderen Räumen die Bestimmung derselben ihrer
künstlerischen Ausgestaltung zugrunde gelegt; man
kann getrost sagen, man erkennt ihre Bestimmung
aus ihrer Stimmung. Selbst die Gastzimmer sind,

433
 
Annotationen