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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

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Nr. 8
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Schultze-Naumburg, Paul: Amerikanische Landhäuser und ihre Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.23633#0467
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AMERIKANISCHE LANDHÄUSER UND IHRE GÄRTEN*

Wer Amerika nicht kennt, kann sich schwer von
einem alteingebürgerten Vorurteil befreien,
das mit ihm die Vorstellung eines durchweg kalt
und nüchtern aufgebauten Landes verbindet, in
dem man nirgends eine Spur jener heimatlich an-
mutenden Stätten vermutet, die so sehr auf unser
Gemüt wirken, die unser Deutschland so zahlreich
hatte, und die man jetzt nach sogenanntem, „ameri-
kanischem“ Muster mit allen Mitteln zu zerstören
sich bemüht. V
V Darum war dies Buch eine grosse Ueberraschung
für mich. Nun kann ich zwar nicht sagen, ob die
Abbildungen durchaus typisch sind oder ob sie nur
einige verstreute Perlen aus dem ungeheuren Lande
jenseits des Ozeans Zusammentragen; das Vorwort
gibt darüber nicht genügend Aufschluss. Sollte aber
das, was das Werk bringt, charakteristisch für die
amerikanische Gartengestaltung sein, so haben wir
allen Grund, unsern Stolz auf die heutige künst-
lerische Kultur unserer Heimat ein wenig herab-
zustimmen. Denn es dürfte schwer sein, ein gleich
gutes Buch über neuere deutsche Gärten zusammen
zu stellen. V
V Immer unter der Voraussetzung, dass es sich
hier wirklich um typisch amerikanische Gärten
handelt, muss man zugeben: die Amerikaner wissen,
wozu Gärten da sind und sind genügend über die
Grundformen der Gartengestaltung unterrichtet.
Zwar ist man beim Durchblättern des Buches leicht
geneigt zu glauben, der Amerikaner nähme das
Gute, wo er es fände. Denn wir sehen Anlagen,
die man für holländische Gärten ansprechen möchte,
andere, bei denen man sich nach England versetzt
fühlt; und bei manchen wieder meint man italie-
nische Landschaften zu sehn. Doch erscheint es
mir voreilig, daraufhin schlichtweg die Anklage
eines billigen Eklektizismus zu erheben. Denn
man muss bedenken und überlegen, dass Amerika
ein weit ausgedehntes Land ist, das nahezu so viele
Klimata und verschiedene Landschaftsgestaltungen
in sich vereinigt, wie unser ganzes altes Europa
zusammengenommen. Da ist es nur natürlich, dass
uns die südlichen Gärten an Italien und die nörd-
lichen an England erinnern. Ueberdies sind doch
die Amerikaner noch kein ganz einheitlicher Stamm,
sondern die Bevölkerung ist aus Kolonisten der
alten Welt gebildet. Kein Wunder, dass diese die
Gartenideale ihres Mutterlandes mitgebracht und
in die neue Heimat verpflanzt haben. Bei alledem
American Country Homes andtheirGardens. Heraus,
gegeben von John Cordis Baker, mit einer Einleitung von Donn
Barber; Philadelphia bei der John C. Winston Company.

erscheint es mir, als wenn man, vertieft man sich
in die Bilder, sehr bald eine neue Note heraus-
liest, die nicht englisch und auch nicht italienisch
oder holländisch ist, sondern die eben dies typisch
Amerikanische, von dem ich sprach, zu bilden
scheint. Sie mit Worten zu erklären, ist eine miss-
liche Sache und wahrscheinlich keine leichtere Auf-
gabe als die, den Typus des Amerikaners selbst zu
beschreiben. V
V Wir brauchen uns nun Amerika nicht als Ideal
aufzustellen und können doch manches aus dem
Buche lernen. In ihm erscheint uns der Ameri-
kaner pietätvoller als man allgemein von ihm an-
nimmt; jedenfalls weiss er die künstlerische Tra-
dition seines Stammlandes besser aufrecht zu
erhalten, als man es bei uns getan hat, wo beson-
ders in Gartenanlagen eine so wilde Geschmack-
losigkeit und Ratlosigkeit herrschten und noch
herrschen, als ob wir nie die Fähigkeit besessen
hätten, schöne Gärten anzulegen. V
V Nun kommt zwar den Amerikanern eine oft
überaus üppige Vegetation zu Hilfe, ihre Gärten
zu gestalten, wiewohl die Art derselben, wenigstens
soweit ich aus den Abbildungen sah, dem Pflanzen-
wuchs in unserm Klima ähnlich zu sein scheint.
Das kann jedoch die Würdigung der amerikanischen
Gartenbaukunst nicht einschränken. V
V Recht interessant ist auch die amerikanische
Architektur, die man aus diesem Werke kennen
lernt. In den meisten Fällen scheint sie vernünftig,
einfach, echt und gut zu sein, manchmal erhebt
sie sich sogar zu klassischer Gestaltung, während
verhältnismässig wenige schlichtweg banal genannt
werden können. Der moderne Amerikaner aber
scheint nicht mit jener oft ans Komische grenzen-
den Aengstlichkeit den klassischen Formen aus
dem Wege zu gehen, wie der moderne deutsche
Architekt es häufig ganz unnötigerweise tut. Und
doch wird fast immer der Eindruck natürlichen
konstruktiven Aufbaues erzielt. Auch die Gärten
treten in innigerer Beziehung zur Natur als es bei
uns üblich ist. Fast überall ist ein grosser Teil
derselben, der sich ans Haus anschliesst, rein archi-
tektonisch gehalten. In ihm dominieren die An-
lagen von Pergolas, Terrassen, Mauern, Treppen,
Wasserbecken und Gartenhäusern, während er da,
wo er sich vom Hause entfernt, der Natur sich
anschmiegt, dem Prinzip folgend, dass der Garten
das Vermittlungsglied zwischen der menschlichen
Wohnung und dem Gelände, zwischen Architektur
und Natur bilden soll. V
PAUL SCHULTZE-NAUMBURG
 
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