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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 8.1909

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Nr. 4
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Heilmeyer, Alexander: Neue Arbeiten von Prof. Richard Berndl
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https://doi.org/10.11588/diglit.24105#0207
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4
Ü MODERNE BAUFORMEN
L J MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR

NEUE ARBEITEN VON PROF. RICHARD BERNDL
VON A. HEILMEYER-MÜNCHEN

Die neuen Arbeiten des Münchener Architekten
Prof. Richard Berndl erregen schon durch die
Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit der Aufgaben
und Lösungen Interesse. Berndl ist als Lehrer an
der Münchner Kunstgewerbeschule tätig und er ist
als Architekt wie Behrens, Hoffmann u. a. aus dem
modernen Kunstgewerbe hervorgegangen. Wollte
man die Ausdehnung seiner künstlerischen Tätigkeit
andeuten, so müsste man nicht nur die baulichen
Aufgaben und die Gestaltung von Innenräumen vom
einfachen Wohnhaus bis zum Repräsentationsraum
eines Monumentalbaues, sondern auch noch Ein-
richtungsgegenstände, Möbel etc. ins Auge fassen
und hätte doch noch nicht das ganze Tätigkeitsfeld
umschrieben. Das moderne Leben stellt an den
Architekten vielfache Anforderungen; er muss be-
fähigt sein, den verschiedenartigsten Bedürfnissen
Ausdruck und Gestalt zu geben. V
V Bald ist es ein Landhaus, das ganz persönlichen
Lebensgewohnheiten angepasst werden muss; dann
fordern wieder besondere Umstände und Verhält-
nisse bei der baulichen Ausgestaltung eines Wein-
gutes besondere Anforderungen im Grundriss und
Aufbau. Ein Herrensitz in Niederbayern soll in-
mitten des Landgutes als stattlicher Mittelpunkt
erstehen, damit der Giebel stolz und frei aus der
Umgebung der Wirtschaftsgebäude hervorrage. In
der Einsamkeit und Stille eines Parkes wird eine
monumentale Grabstätte errichtet. Ein Bergkirch-
lein schmiegt sich an die umgebende Natur an und
zeigt klug berechnete Wirkungen durch geschickte
Gruppierung der Massen von weichen rundlichen
Formen. V
V Ebenso überraschend wie in der Situierung und
äusseren Herstellung des Bauwerkes entfaltet sich
Berndls Kunst in der Gestaltung von Innen-
räumen. Das Wohnzimmer eines Miethauses ist
mit einfachen Mitteln zu einem behaglichen Wohn-
raum umgestaltet. Der Charakter gediegener Vor-
nehmheit war seinem Speisezimmer auf der Aus-
stellung eigen, das natürlich mit Aufwendung

viel reicherer Ausdrucksmittel hergestellt war. Der
Musiksalon in seiner festlichen Pracht dürfte den
verwöhntesten Geschmack befriedigen. Gelangen
schon in diesen Arbeiten die Vorzüge seines
architektonischen Gestaltungsvermögens: sein aus-
gesprochenes Raumgefühl, Sinn für Rhythmus
und Proportion zur Geltung, so lässt eine ein-
gehende Betrachtung seiner Möbel und Grabdenk-
mäler auch unschwer seinen Sinn für plastische
Wirkungen, für die Schönheit der Form und für
schöne Verhältnisse und Masse erkennen. Sein
ausgebildetes Gefühl für Rhythmus äussert sich
am lebendigsten in seinen Entwürfen für orna-
mentalen Schmuck und in der Verwendung des-
selben auf Flächen und Baugliedern. V
V Berndl wird in seinen Bestrebungen unterstützt
durch einen sehr begabten Vertreter moderner deko-
rativer Malerei, Gottfried Gottlob Klemm. Die hier
reproduzierte farbige Abbildung eines Glasfensters,
wie seine Kartonzeichnungen, geben einen guten Be-
griff von Klemms künstlerischer Ausdrucksfähigkeit.
Den Schmuck der Farben will Berndl bei seinen
Bauten nicht missen; er benützt sie nicht nur, damit
sie ganz allgemein den Reiz und die Wirkung des
Raumes erhöhen, ihn schmücken und beleben, son-
dern sie sollen auch dazu dienen, Form und Gliederung
der Architektur klar und deutlich hervortreten zu
lassen, ein Beispiel: die Ehrenhalle auf der letzten
Münchner Ausstellung. Die Plastik wusste Berndl
dabei sehr geschickt in den Dienst der Architektur zu
stellen. Er ist von allen Architekten in der bewussten
Anwendung der dekorativen Künste am weitesten ge-
gangen; ein Zeichen von Ueberwindung der blossen
Zweckmässigkeit und kahlen Nüchternheit, die eine
Zeit lang die moderne Architektur beherrscht haben.
V Welche Anregungen und fruchtbare Wirkungen
von dem Lehrer Berndl ausgehen, zeigten am besten
die seinerzeit auf der Münchner Ausstellung vor-
geführten Entwürfe und Zeichnungen seiner Schüler,
die zum Teil auch hier im Anschluss an die Arbeiten
des Meisters abgebildet sind. V

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