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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 8.1909

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Nr. 4
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Scott, Mackay H. Baillie: Das Haus "Greenways"
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https://doi.org/10.11588/diglit.24105#0249
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175

DAS HAUS „GREENWAYS“

In dem etwa 30 englische Meilen von London entfernt
liegenden Sunningdale stand mir für dieses Haus ein Bau-
platz zur Verfügung, dessen Lage von grosser Schönheit ist.
Inmitten einer Wildnis von Heidekraut, Ginster und Unter-
holz gelegen, umgeben ihn Tannenpflanzungen, aus denen
hier und dort eine zarte Silberbirke hervorleuchtet. Eine
solche Landschaft hat in jeder Jahreszeit ihren besonderen
Reiz, zumal zur Zeit der Ginsterblüte; die ruhigen dunkel-
grünen und braunen Töne bilden den wirksamsten Hinter-
grund für die goldenen Rispen des Ginsters und das purpur-
farbene Heidekraut. In diese herbe Schönheit hinein ein
Haus zu bauen, erschien mir fast wie eine Entheiligung; aber
da es nicht zu umgehen war, musste ich wenigstens danach
trachten, Material und Farben des Gebäudes so gut als mög-
lich der Umgebung anzupassen. Aus diesem Grunde nahm
ich zu dem unverputzten Mauerwerk einen Backstein, der
durch Holzfeuerung verschieden gebrannt war — hauptsäch-
lich Purpur und Grau — und der mit dem Heidekraut im
Einklang stand. Das Dach wurde mit rauhen Steinen von
grauer Farbe eingedeckt, die so verlegt werden mussten,
dass die Grösse der Platten nach dem First zu abnahm, und,
wie die Photographien zeigen, um Kehlen und Grate herum-
gelegt sind, wodurch das Dach wie ein dem Gebäude über-
geworfenes Gewand aussieht. Zu dem purpurnen und erdigen
Grau der Mauern und Dächer stehen das Braun des eichenen
Fachwerks und das gebrochene Weiss der Putzfelder in be-
rechneter Wechselwirkung. Soweit wäre alles gut geworden;
doch hat leider die Gestaltung des Gartens, auf die ich
keinen Einfluss hatte, vieles von der eigenartigen natürlichen
Schönheit des Platzes zerstört und ihn durch gedankenlose
Verteilung von Rasen und Sträuchern den üblichen Vorstadt-
gärten gleichgemacht. V
V Die Grundrisse des Hauses zeigen die Verteilung der
Räume, die sich um eine Halle gruppieren, deren Decke aus
dem sichtbar gelassenen Eichengebälk des Dachstuhles ge-
bildet wird. Besondere Farbenzusammenstellungen habe ich
in den Räumen vermieden, doch ist im Erdgeschoss überall
das Graubraun des Eichenholzes der Fussböden und Täfe-

lungen von den weissen Putzfüllungen unterbrochen. Durch
diese ruhigen und zurückhaltenden Töne gewinnt man den
Vorzug, die in den Räumen durch Blumen, Teppiche, Vasen,
Vorhänge u. s. w. hervorgerufenen Farbenstimmungen mehr
zur Geltung zu bringen. Unglücklicherweise lassen die Möbel
des jetzigen Besitzers viel zu wünschen übrig und obwohl
beim Photographieren allzu schlimme Stücke entfernt wurden,
ist die Wirkung der Räume doch noch durch unschönen
Hausrat erheblich beeinträchtigt. Als besondere Eigenart der
Haupträume mögen die Kamine erwähnt sein, die nur für
Holzfeuerung bestimmt sind. Da die Heizung des Hauses
durch eine Heissluftanlage erfolgt, die gleichzeitig die Lüftung
besorgt, sind die Kamine nur aus ästhetischen Gründen über-
nommen ; sie sollen den Räumen den behaglichen, gast-
freundlichen Charakter des alten englischen Landhauses ver-
leihen. Wir Engländer mögen die offene Feuerstelle mit
ihren anregenden Ideenverbindungen nicht missen; sie be-
deutet unserem Heim, was die Sonne der Landschaft ist.
Wir brauchen den aromatischen Duft der Holzfeuerung, das
Knistern und Sprühen der Flammen und Funken, um uns
zu Hause zu fühlen. V
V Ein grosser Teil der Dachräume ist in die Schlafzimmer
einbezogen worden, wodurch sich eine günstige Anbringung
der eingebauten Kleiderschränke und Waschtische ermöglichen
liess, und das Gebäude verhältnismässig niedrig gehalten
werden konnte, was wiederum eine bedeutende Ermässigung
der Baukosten herbeiführte. Als allgemeiner Grundgedanke
möge beachtet werden, dass ich die Kunstform hauptsächlich
in die Verteilung und Anordnung der Flächen und Linien
legte. So unterbrechen im Aeusseren die wuchtigen Schorn-
steine und die senkrechten Pfosten des Fachwerks die wag-
rechte Gesamtlinie des langgestreckten Baues; auch im
Inneren habe ich in den Balken und Pfosten die gleichen
einfachen Mittel verwendet, obgleich im ursprünglichen Ent-
wurf angetragene Stuckverzierungen vorgesehen waren, die
aber gestrichen wurden. Es mag noch von Interesse sein,
dass sich die Kosten dieses Hauses bei uns in England auf
rund 4000 Pfund, das sind etwa 80 000 Mark belaufen. V
M. H. BAILLIE SCOTT-BEDFORD


M. H. BAILLIE SCOTT-BEDFORD
Haus „Greenways“ in Sunningdale: Ansicht von Nord-Ost
 
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